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Matthias W. Birkwald

Das ist keine Betriebsrente, das ist eine Pokerrente

01.06.2017
Matthias W. Birkwald, DIE LINKE: Das ist keine Betriebsrente, das ist eine Pokerrente

Rede von Matthias W. Birkwald MdB

zur 2./3. Beratung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes, sowie zur abschließenden Beratung der Anträge der LINKEN: „Gesetzliche Rente stabilisieren – Gute Rente für alle sichern“ und „Für eine faire und nachhaltige betriebliche Altersversorgung und ein stabiles Drei-Säulen-System“ (Drucksachen 18/11402, 18/10384)

am Donnerstag, 01. Juni 2017 im Deutschen Bundestag

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Ministerin Nahles! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Wir brauchen eine starke gesetzliche Rente, die den Lebensstandard wieder sichert. Alles andere muss zusätzlich sein, muss obendrauf kommen.

(Beifall bei der LINKEN - Anja Karliczek (CDU/CSU): Das ist Quatsch!)

Ganz wichtig: Betriebsrenten und private Vorsorge dürfen nicht dazu missbraucht werden, die willkürlich in die gesetzliche Rente gerissenen Löcher zu stopfen. Alterssicherung kommt von „Sicherheit“, Frau Ministerin, und Altersversorgung kommt von „versorgen“. Betriebliche Altersversorgung bedeutet also: Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin versorgt seinen Mitarbeiter oder seine Mitarbeiterin im Alter mit einer garantierten, also einer sicheren, und zusätzlichen Betriebsrente als Anerkennung für lange Betriebszugehörigkeit, für unentgeltlich geleistete Überstunden usw. Eine sichere, planbare und verlässliche Zusatzrente im Alter, überwiegend oder ganz und freiwillig durch die Chefin oder den Chef finanziert, das ist echte betriebliche Altersversorgung.

(Beifall bei der LINKEN)

Solche echten Betriebsrenten finden die Beschäftigten gut; und die findet auch die Linke gut.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur, solche echten Betriebsrenten gibt es immer weniger.

Auch Ihre neue Betriebsrente wird keine Altersversorgung sein. Deswegen ist schon der Titel des Gesetzentwurfs falsch. Frau Professorin Wallrabenstein von der Uni Frankfurt kritisiert Ihr Betriebsrentenstärkungsgesetz deutlich. Sie sagt - ich zitiere -:

Eine Versorgung durch den Betrieb ist diese Betriebsrente ... nicht mehr. ... es ist eine individuelle Altersvorsorge, und der Betrieb wird zum Vertriebsweg.

Zitat Ende. Also noch einmal: Das Betriebsrentenstärkungsgesetz hat seinen Namen nicht verdient; denn Sie wollen mit Ihrem Betriebsrentenstärkungsgesetz für die Tarifparteien regeln, dass künftig jeder Beschäftigte, der sich nicht aktiv wehrt, automatisch Beiträge für eine überwiegend selbst finanzierte Betriebsrente von seinem Gehalt abgezogen bekommt.

(Anja Karliczek (CDU/CSU): Ja! Das ist auch gut so!)

Und für diesen Teil des Gehaltes werden keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt.

(Albert Stegemann (CDU/CSU): Entgeltumwandlung heißt das!)

Wer also in die Falle der Entgeltumwandlung geht, kürzt sich seine eigene gesetzliche Rente und indirekt auch die aller anderen. Allein das ist völlig inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Bisher haben die Arbeitgeber sich ihren Anteil an den gesparten Sozialversicherungsbeiträgen auch noch in die eigene Tasche stecken können. Das soll nun vorbei sein. 15 Prozent sollen sie künftig auf die vom Arbeitnehmer gesparte Summe drauflegen. Das klingt gut, ist es aber nicht; denn insgesamt sparen Chef oder Chefin über 20 Prozent. Darum sage ich: Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen dürfen nicht auch noch daran verdienen, dass ihre Beschäftigten auf Lohn verzichten und in eine Betriebsrente einzahlen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir Linken fordern: Der Arbeitgeber muss sich nicht mit 15 oder 20 Prozent beteiligen, sondern er soll mindestens die Hälfte der Beiträge zur Betriebsrente finanzieren. Das wäre gerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das steht aber nicht in Ihrem Gesetzentwurf.

Es wird noch schlimmer: Mit Ihrem Sozialpartnermodell verbieten Sie den Arbeitgebern, ihren Beschäftigten eine bestimmte Höhe ihrer Betriebsrente zu garantieren. Dem oder der Beschäftigten wird nicht mehr garantiert, dass er oder sie in 30 Jahren wenigstens die eingezahlten Beiträge zurückerhält. Meine Damen und Herren von der Koalition, nach Ihrem Gesetzentwurf muss der Chef nur noch versprechen, dass er das Geld, das sich der Beschäftigte abspart, auch wirklich an das Versorgungswerk überweist. Dazu sagt zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung - Zitat -:

Bei einer Beitragszusage hat der Arbeitgeber letztlich nur noch die Funktion einer Zahlstelle bezogen auf den Beitrag.

Der Arbeitgeber als „Zahlstelle“ für Entgeltumwandlung, das hat doch nichts mehr mit einem Arbeitgeber zu tun, der seine Beschäftigten im Alter mit einer zusätzlichen Betriebsrente belohnen will, der für sie vorsorgen will, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese sogenannte reine Beitragszusage bedeutet, dass niemand weiß, wie hoch seine oder ihre Betriebsrente im Alter sein wird. Es wird eine sogenannte Zielrente vereinbart. „Zielrente“ heißt auf Deutsch: Das eingezahlte Geld wird mehr oder weniger riskant auf den Aktienmärkten angelegt. Wenn es gut läuft, gibt es mehr als die eingezahlten Beiträge zurück, und wenn es schlecht läuft, weniger oder sehr viel weniger. In der Auszahlungsphase werden davon dann auch noch die eigenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und die des Arbeitgebers abgezogen. Da es keine Garantien mehr gibt, können künftig auch laufende Renten abgesenkt werden. Welche Summe dann am Schluss rauskommt, steht völlig in den Sternen der Kapitalmärkte. Es kann mehr sein, und es kann fast nichts sein. Und wenn der Anbieter pleitegeht, dann muss nicht einmal mehr der Pensions-Sicherungs-Verein einspringen. Darum, liebe Frau Nahles, liebe Koalition, ist und bleibt Ihre Zielrente in Wirklichkeit eine Hoffnungsrente, eine Pokerrente oder - wenn Sie das weniger aufregt - eine Lottorente.

(Beifall bei der LINKEN - Albert Stegemann (CDU/CSU): Mannomann! Übertreib doch nicht!)

Sie von Union und SPD wälzen die Kapitalmarktrisiken allein auf die Beschäftigten ab.

Thomas Richter, der BVI-Hauptgeschäftsführer, jubelte am 22. Mai im Handelsblatt:

Das geplante Betriebsrentenstärkungsgesetz ist das seit langem Beste, was die Politik zum Thema Rente vorgelegt hat.

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Stimmt auch!)

Warum klatscht keiner von Ihnen?

(Beifall des Abg. Albert Stegemann (CDU/CSU))

Wissen Sie, von wem Sie da so gelobt werden? Vom Bundesverband Investment und Asset Management e. V. Er hat 99 Mitglieder, und die verwalten rund 2,9 Billionen Euro in Publikumsfonds, Spezialfonds und Vermögensverwaltungsmandaten auf den Finanzmärkten. Offenkundig haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, aus der Finanzkrise nichts gelernt. Da sage ich: Das ist unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Anstatt die Arbeitgeber stärker in die Pflicht zu nehmen, Frau Nahles, entlassen Sie die Arbeitgeber aus jeglicher Haftung. Mein geschätzter SPD-Kollege Dr. Martin Rosemann hat mir in der ersten Lesung zugerufen: „Schon mal was von Risiko beim Sparen gehört?“

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Was?)

Ich finde, dieses sozialdemokratische Risikosparen hat nichts mehr mit betrieblicher Altersversorgung zu tun, und deshalb lehnen wir dieses Gesetz ab.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Martin Rosemann (SPD): Der Begriff heißt „Kollektivrisiko-Sparen“!)

Noch ein Wort zum Förderbeitrag für Geringverdienende, den Sie, Frau Nahles, erwähnt haben: Der ist gut gemeint. Es ist zumindest ein Beitrag, den der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter oder seiner Mitarbeiterin zahlt, sofern sein oder ihr Gehalt unter 2 200 Euro brutto im Monat liegt. Die Obergrenze für die Förderung liegt aber bei 480 Euro Arbeitgeberbeitrag im Jahr, also bei 40 Euro im Monat. Und was kommt dann da hinten raus? Das ist völlig unklar, aber eines ist sicher: Die Kürzungen bei der gesetzlichen Rente werden damit auf keinen Fall ausgeglichen werden können.

Darum sage ich: Schaffen Sie für alle Arbeitgeber und für alle Beschäftigten die Möglichkeit, bis zu einer bestimmten Grenze freiwillig zusätzliche Beiträge auf das persönliche Rentenkonto der Beschäftigten bei der Deutschen Rentenversicherung einzuzahlen. Die Vorteile: niedrige Verwaltungskosten, völlig unkompliziert, es gibt langfristig 3 Prozent Rendite, es muss kein Versorgungswerk gegründet werden, für den Arbeitgeber gilt Pay and Forge,t und die Beschäftigten haben eine höhere gesetzliche Rente.

(Beifall bei der LINKEN - Anja Karliczek (CDU/CSU): Und es belastet die nächsten Generationen noch mehr! - Albert Stegemann (CDU/CSU): Generationenungerechtigkeit pur!)

Das wäre eine gute Alternative zu dem, was Sie hier heute vorlegen.

Meine Damen und Herren, die hart arbeitenden Menschen wollen eine starke und zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanzierte gesetzliche Rente. Sie würden lieber höhere Beiträge in die Rentenkasse zahlen, als in hochkomplizierte Betriebsrentenmodelle zu investieren, bei denen unklar ist, was unterm Strich netto für sie rauskommt. Die Beschäftigten wollen eine gesetzliche Rente, die zum Leben reicht. Darum sagt die Linke: Rauf mit dem Rentenniveau!

Danke schön.