Im Juli 2016 hat der Bundestag das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) mehrheitlich beschlossen. Im Juli 2017 trifft es nun in Kraft. Doch weiterhin wird um die Ausübung dieser Tätigkeiten gerungen.
Niemand kann mit dieser Situation zufrieden sein. Die Sexarbeiter*innen werden durch die Überwachungsinstrumente und Gängelungen des neuen Gesetzes in Grundrechten wie der Berufsfreiheit und der freien Ärztewahl eingeschränkt. Sie leiden zudem unter der fortwährenden gesellschaftlichen Stigmatisierung, die durch deren staatliche Legitimierung weiter vorangetrieben wird. Nach dem Gesetz wird eine Sexualität bestraft und verurteilt, nur weil manche*r Sittenhüter*in sie sich nicht als freiwillig vorstellen kann.
Wer für die Selbstbestimmung über den eigenen Körper eintritt kann nicht zufrieden sein mit dem neuen Gesetz. Wer solidarisch ist mit den Arbeiter*innen dieser Welt muss die Situation in der Bundesrepublik Deutschland deswegen ebenfalls ablehnen. Und wer möchte, dass Menschen aus der Prostitution aussteigen können, muss das Gesetz ebenfalls vehement ablehnen, weil es die Menschen weiter in die Illegalität treiben wird, um einem Zwangsouting zu entkommen.
Einen Nutzen haben einzig und allein Betreiber*innen der Grossbordelle. Viele kleine Wohnungsbordelle, die selbstbestimmt betrieben werden, müssen künftig wegen der unzumutbaren Bauanforderungen schließen. Eines gilt zudem als sicher: Die Prostitution wird damit nicht weniger werden. Sie wird verdeckter, heimlicher, illegaler. Sie wird prekärer und gefährlicher. Sie wird weiter unter einer Kriminalisierung und Ideologisierung ausgesetzt sein.
Vor diesem Hintergrund müssen sich LINKE noch entschlossener an die Seite der Sexarbeiter*innen stellen. Wir sollten in den Städten und Gemeinden, in denen wir jeweils leben, genauestens beobachten, wie die Seite 2 Regelungen des ProstSchG in den Ländern umgesetzt werden: Die Große Koalition hat vieles der konkreten Ausgestaltung den Ländern und Kommunen überlassen. Das ist insofern ein Desaster, weil diese aufgrund klammer Kassen und Unterbesetzungen in den Behörden finanziell und organisatorisch überfordert sind. Das bietet weiteren Raum für Unsicherheiten und Ungerechtigkeiten. Wir müssen achtsam sein!
Weitere Gesetzesverschärfungen werden wir mit aller Kraft bekämpfen. Wir wollen stattdessen zum Abbau von Stigmatisierungen beitragen. Wir möchten zudem eine Debatte über Sexualität und Selbstbestimmung vorantreiben. Diese sollten wir mit linken und damit vor allem sozialen und emanzipatorischen Inhalten füllen, damit langfristig alle diskriminierenden Gesetze erledigt sind und Sexarbeiter*innen wie alle anderen Arbeiter*innen soziale Sicherheiten und Rechte garantiert bekommen. Und damit jede*r wirklich frei in der Wahl ihrer und seiner Arbeit ist.
Deshalb unterstützen wir mit Nachdruck die Kampagne „Sexarbeit ist Arbeit. RESPEKT!“ von BesD e.V., dem Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen, move e.V., dem Verein für Bildung und Kommunikation in der Sexarbeit und bufaS e.V., dem Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiter*innen, die für eben diese Ziele steht.
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