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Matthias W. Birkwald

Finger weg von Kapitallebens- oder privaten Rentenversicherungen

Bundestagsrede

05.02.2015

Rede von Matthias W. Birkwald MdB im Plenum am Donnerstag, 05.02.2015 Tagesordnungspunkt 3, zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen, Drucksachen 18/2956, 18/3252

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem Song der Kölner Band BAP heißt es: „Besser hätt ich dat jelosse, dann wöhr alles nit passiert“. Vor 15 Jahren versprachen SPD, Grüne und Union den Menschen großspurig: Ja, wir kürzen Ihre gesetzliche Rente, aber mit Lebensversicherung und Riester-Rente werden Sie im Alter viel besser leben, als bisher von der guten gesetzlichen Rente allein. - Liebe Kolleginnen und Kollege, dieses Versprechen war 2001 falsch, es ist heute falsch, und es wird auch 2030 falsch sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie können die Finanzaufsicht über Versicherungen verbessern, so viel Sie wollen, aber dadurch werden Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, kein anständiges Alterseinkommen erreichen. Ein Ende der niedrigen Zinsen, Herr Staatssekretär, ist nämlich nicht in Sicht. Mit niedrigen Zinsen können Sie zwar gut eine Wohnung kaufen, aber Ihre Lebensversicherung geht den Bach herunter.

Ein Beispiel: Die Bundesbank hat die Folgen der niedrigen Zinsen für 85 deutsche Lebensversicherer modellhaft untersucht. Unter „verschärften Stressbedingungen“ würden 32 Unternehmen die Eigenmittelanforderungen von Solvency I bis 2023 nicht mehr erfüllen.

(Manfred Zöllmer (SPD): Das ist inzwischen völlig überholt!)

Also: Von 85 Versicherern wären dann 32 pleite, Herr Zöllmer. Diese Modellrechnung zeigt: Selbst die Bundesbank kann Lebensversicherungen als Altersvorsorge nicht empfehlen. Aber Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, senken den garantierten Zins für Lebensversicherungen auf mickrige 1,25 Prozent, und die Lebensversicherer senken ohne Not die Beteiligung der Kunden an den Überschüssen. Was sind die Folgen? Am Ende werden Millionen Menschen im Alter schwer enttäuscht, wenn sie sehen, wie tief Ihre Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen gesunken sein werden. Zum Teil ist das heute schon der Fall. Sie müssen dann die Zeche zahlen, nicht die Unternehmen oder gar die Aktionäre. Das, meine Damen und Herren, ist unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN - Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Das ist völlig abwegig, was Sie sagen!)

Mit 1,25 Prozent garantierten Zinsen und völlig unsicheren Überschüssen, Herr Flosbach, können Normalverdienende unmöglich das Loch stopfen, das Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD, Grünen und Union in die gesetzliche Rente gerissen haben. Lebensversicherungen und Riester-Verträge taugen nicht als Altersvorsorge. Zeigen Sie Größe und geben es endlich zu!

(Beifall bei der LINKEN)

Der Präsident der Versicherungswirtschaft, Alexander Erdland, hat das am vergangenen Freitag - unfreiwillig - getan. Er sagte, ein dauerhaft niedrigeres Zinsniveau mache eine um 15 Prozent höhere Sparanstrengung nötig, um im Alter das gleiche Versorgungsniveau zu erreichen. Ich frage Sie: Wer kann denn noch einmal 15 Prozent zusätzlich für das Alter zurücklegen und von welchem Lohn? Der Leiharbeiterin, die Verkäuferin und der Taxifahrer können es jedenfalls nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Zeitschrift Öko-Test bringt es in ihrem aktuellen Heft voll auf den Punkt - ich zitiere -: „Schließen Sie keine neue Kapitallebens- oder Rentenversicherung mehr ab!“ Richtig so!

(Beifall bei der LINKEN - Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Was sollen die Leute dann machen?)

DIE LINKE schlägt Ihnen deshalb, Herr Michelbach, ein Drei-Punkte-Programm vor: Erstens. Die staatliche Riester-Förderung, von der die Versicherungen profitieren, wird gestoppt. Wer heute schon einen Riester-Vertrag hat, soll die bisher angesparten Gelder reibungslos und freiwillig auf sein persönliches Rentenkonto bei der Deutschen Rentenversicherung einzahlen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Statt jedes Jahr 3,5 Milliarden Euro Steuern für die Riester-Förderung auszugeben, wird mit dem Geld das Rentenniveau stabil gehalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Alle Kürzungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel werden gestrichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ziehen Sie endlich Schlussfolgerungen aus der Finanzkrise! Stärken Sie die gesetzliche Rente! Stärken Sie das Umlagesystem! Und sorgen Sie dafür, dass die gesetzliche Rente wieder den Lebensstandard sichert und vor Altersarmut schützt! Das wäre zu tun. Deswegen: Die Finanzaufsicht bei den Versicherungsdienstleistungen zu verbessern, ist ein Schritt; aber hier geht es darum, dass die Menschen eine anständige Altersvorsorge erhalten. Darum müssen Sie sich kümmern.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)