Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 15
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. September 2014 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Philippinen über Soziale Sicherheit
Drucksache 18/4048
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 19. September vergangenen Jahres wurde das Abkommen über Soziale Sicherheit mit den Philippinen unterzeichnet.
Heute schaffen wir mit dem Gesetzentwurf die Grundlagen dafür, dass dieses Abkommen auch umgesetzt werden kann.
DIE LINKE begrüßt es grundsätzlich, dass wirtschaftlichen Freiheiten soziale Rechte an die Seite gestellt werden, gerade im Austausch mit sogenannten Schwellenländern!
Bisher haben wir erst zwanzig entsprechende Sozialversicherungsabkommen. Es bleibt also noch viel zu tun!
Gegenwärtig arbeiten circa 10.000 Philippinerinnen und Philippiner in Deutschland und – wir kennen die genaue Zahl nicht – einige Tausend Deutsche auf den Philippinen.
Diesen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird es zukünftig ermöglicht, ihre Rentenversicherungszeiten, die sie in beiden Staaten erworben haben, zusammenzurechnen und damit unter Umständen Wartezeiten und natürlich auch Rentenansprüche zu begründen.
Jeder Staat zahlt dann am Ende nur die Rente für die nach seinem Recht zurückgelegten Zeiten, aber eben auch in das andere Land.
Bei kurzfristig entsandten Arbeitskräften wird zweitens auf eine Rentenversicherungspflicht im Zielland verzichtet.
Sie bleiben für 48 Monate im Herkunftsland rentenversichert.
Das ist ein erstaunlich langer Zeitraum, der auf Wunsch der philippinischen Seite vereinbart wurde.
So werden für entsandte Arbeitskräfte doppelte Versicherungen und doppelte Beitragszahlungen und viel komplizierte Bürokratie vermieden.
Die Deutsche Rentenversicherung geht von jährliche Mehrausgaben in Höhe einer Million Euro aus.
Hinter all diesen konkreten Erleichterungen steht auch ein grundsätzliches Prinzip:
Vom Abkommen erfasste Personen – also Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten - werden rentenrechtlich in Deutschland und in den Philippinen mit den jeweiligen Staatsangehörigen gleich gestellt, und damit auch gleich behandelt.
Das ist ein wichtiges und richtiges Prinzip, aber der Hinweis sei erlaubt, dass wir von einer Gleichbehandlung bei Flüchtlingen und auch bei Arbeitsmigrantinnen und –migranten aus vielen anderen Ländern noch weit entfernt sind.
Deshalb sollten wir das Sozialabkommen mit den Philippinen grundsätzlich zum Anlass nehmen, über globale soziale Menschenrechte nachzudenken.
Denn soziale Menschenrechte sollten nicht nur für Menschen aus Ländern gelten, von denen wir uns wirtschaftliche Vorteile versprechen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatte in seiner Presseerklärung vom 19.09.2014 meines Erachtens erstaunlich ehrlich darauf hingewiesen:
„Die wirtschaftliche Dynamik im südostasiatischen Raum lässt das Interesse der deutschen Wirtschaft an dieser Region steigen. Deutschland zählt bereits jetzt zu den größten ausländischen Investoren auf den Philippinen. Die Philippinen werden zu den "Next-Eleven" gezählt, den Schwellenländern, in denen sich in den kommenden Jahrzehnten ein ähnlicher wirtschaftlicher Aufschwung wie in den BRIC-Staaten ergeben könnte.“
Meine Damen und Herren,
um genau nicht diesem Verdacht ausgesetzt zu sein, dass die Gewährung sozialer Rechte an Nützlichkeitserwägungen geknüpft wird, erinnere ich deshalb am Ende noch einmal an drei offene Baustellen in diesem Bereich:
Erstens: Der Europäische Ausschuss für soziale Rechte des Europarats dokumentiert in regelmäßigen Berichten, in welchen Aspekten Deutschland seine völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der Europäischen Sozialcharta nicht erfüllt, die wir 1965 ratifiziert haben!
In Deutschland wird demnach auch das Recht auf soziale Sicherheit aus Artikel 12 Abs.4 nicht voll umgesetzt, das eine Gleichbehandlung der Staatsangehörigen anderer Vertragsparteien hinsichtlich des Zugangs zur Sozialversicherung und zu vollständiger sozialer und medizinischer Versorgung vorsieht .
Das darf so nicht stehen bleiben! Hier muss die Bundesregierung handeln!
Zweitens: Im Jahre 2007 hat die Bundesregierung ‑ auch damals eine schwarz-rote, eine Große Koalition ‑ die revidierte Europäische Sozialcharta, die etwas weiter geht ‑ sie beinhaltet auch das Recht auf eine Wohnung und den besonderen Schutz älterer Menschen ‑, unterzeichnet. 33 europäische Länder haben sie ratifiziert. Deutschland nicht. Das ist keine Glanzleistung, meine Damen und Herren von der Koalition. Was hindert die Bundesregierung denn daran, die revidierte Europäische Sozialcharta endlich zu ratifizieren?
Drittens und letztens sei die Frage erlaubt: Wir steht es um die lang versprochene Zeichnung und Ratifikation des Fakultativprotokolls zum UN-Sozialpakt?
Das Fakultativprotokoll ermöglicht unter anderem ein Verfahren, mit dem Einzelpersonen beim zuständigen UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Beschwerde einlegen können, wenn sie ihre im UN-Sozialpakt garantierten Rechte verletzt sehen.
Wären das nicht Maßnahmen um die Glaubwürdigkeit von einzelnen bilateralen Sozialversicherungsabkommen zu erhöhen und uns nicht dem Verdacht auszusetzen, wir würden soziale Rechte nur nach Nützlichkeitskriterien vergeben?
Trotz all dieser offenen Fragen. Dem Sozialversicherungsabkommen mit den Philippinen stimmt DIE LINKE zu. Ein besserer sozialer Schutz für Beschäftigte in beiden Ländern ist eine gute Sache.
Herzlichen Dank.
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