Über Kernaussagen meines Beitrages auf einer Podiumsdiskussion zur Flüchtlingspolitik im Rahmen des Pressefests der L’Humanité am 13. September in La Courneuve am Stadtrand von Paris berichtet die Zeitung in ihrer Ausgabe vom 18. September:
„Die aktuelle Situation in Deutschland ist sehr ambivalent. Vor 23 Jahren sahen wir eine erste Welle von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die besonders schlecht aufgenommen wurden. Ich habe damals persönlich bei einer Kundgebung nach einem Brandanschlag geredet, nachdem insgesamt 19 Flüchtlinge bei Anschlägen in diesem Jahr ums Leben gekommen waren. Deutschland hat ohne Zweifel aus dieser schrecklichen Erfahrung Anfang der 1990er Jahre gelernt, aber es gibt weiterhin Erscheinungen von Rassismus und Gewalt. Die populistische Partei AFD, die deutsche Entsprechung zum Front national, oder die Neonazipartei NPD organisieren Aufmärsche, die gelegentlich erfolgreich sind. Doch beweist eine breiteine Gegenbewegung der Solidarität, die sich eindeutig dazu bekennt, Flüchtlingen zu helfen und sie willkommen zu heißen, dass diese Lektion gelernt worden ist.
Was die Kanzlerin betrifft, so ist sie ihrer Gewohnheit treu geblieben, dass sie wochenlang nicht zu hören war, und erst als sie sah, dass die öffentliche Meinung wie auch die populäre Zeitung ‚Bild‘ für die Flüchtlinge Partei ergriffen, hat sie sich ebenfalls für diese ausgesprochen. Man muss hinzufügen, dass diese Haltung der Kanzlerin durch die ständigen Klagen der Arbeitgeberverbände in Deutschland über den Mangel an Facharbeitskräften und die demografische Entwicklung erleichtert wurde. Die Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, sind im Durchschnitt 26 Jahre alt, und 2/3 davon sind Männer. Das ist eine aus Sicht der deutschen Unternehmen interessante Zusammensetzung. Also hat die Kanzlerin hintergründig auch dieses Argument benutzt, als sie auf die Gefühle reagiert hat, die sich um das bekannte Bild des an einem Strand ertrunkenen syrischen Kindes Aylan Kurdi entwickelt haben.
400.000 Flüchtlinge sind in der letzten Zeit in Deutschland angekommen, weitere 400.000 werden noch bis zum Jahresende erwartet. 800.000 Menschen, das bedeutet eine Herausforderung für die Verwaltung, die Kommunen und die Länder und den Bund, aber wir können froh über das gesellschaftliche Klima wie auch über die Vorschläge der Opposition für deren Aufnahme sen.
Unsere Organisation DIE LINKE – und vor dieser die PDS- vertritt seit zwanzig Jahren mit Nachdruck: Wir wollen offene Grenzen für Menschen in Not! Wir betrachten es in einem reichen Land als unsere humanitäre Verpflichtung, diese Flüchtlinge aufzunehmen.
Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat zehn Vorschläge für die Migrationspolitik in Deutschland vorgelegt. Unter anderem schlagen wir darin ein Gesetz zur Aufnahme von Flüchtlingen vor, welches eine Finanzierung durch den Bund einschließt. Weiterhin wollen wir, dass die Integration am ersten Tag beginnt. Dazu ist die Abschaffung aller diskriminierenden Arbeitsgesetze nötig, so dass die Entwicklung von Fähigkeiten begünstigt und die Aufnahme einer Arbeit erleichtert wird.
Gleichermaßen sprechen wir uns für eine Beschleunigung der Asylverfahren aus, für eine bessere finanzielle Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Initiativen für den Kampf gegen Rassismus, gegen ethnische Diskriminierung, gegen die Zwangsverteilung…
Wir sagen auch, dass Flüchtlinge auch ohne Ausbildung aufgenommen werden müssen, wir erheben uns gegen neue Formen des Nützlichkeitsrassismus. Uns sind alle Migrantinnen und Migranten willkommen, denn sie alle haben gute Gründe, ihr Land zu verlassen. Niemand verlässt sein Land ohne Grund.“
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