Deutschland und Österreich sind sich sozial, wirtschaftlich und politisch sehr ähnlich. Trotzdem sind die beiden Länder bei den Reformen ihrer Rentensysteme ganz unterschiedliche Wege gegangen. In Österreich konzentriert sich die Altersversorgung nach wie vor weitgehend auf die umlagefinanzierte Gesetzliche Rentenversicherung (GRV), in die auch die Selbständigen einbezogen wurden und deren Bestimmungen schrittweise für Beamte zur Anwendung kommen. In Deutschland wurde und wird über die kommenden Jahre das Niveau dieser "ersten Säule" dagegen deutlich reduziert, um den Beitragssatz in der GRV zu stabilisieren. Die geringeren Leistungen sollte vor allem die private, aber staatlich subventionierte, Riester-Vorsorge ausgleichen.
Nach rund 15 Jahren lassen sich laut einer neuen Studie der Hans-Böckler-Stiftung deutliche Konsequenzen dieser unterschiedlichen Ansätze beobachten: In Deutschland sind Beschäftigte über die GRV mittlerweile weitaus geringer abgesichert. Das unterstreichen zahlreiche Kennziffern. Beispielsweise erhielten im Jahr 2013 langjährig (mindestens 35 Jahre) und besonders langjährig (mindestens 45 Jahre) versicherte Männer, die neu in Rente gingen - die Einschränkung auf Männer erfolgt, weil hier in der Regel von durchgehender Vollzeitbeschäftigung ausgegangen werden kann - in Deutschland im Durchschnitt 1.050 Euro monatliche Altersrente. In Österreich kam ein vergleichbarer Neurentner dagegen auf 1.560 Euro - bei 14 Auszahlungen pro Jahr. Auch für die heute Jüngeren sind die Rentenperspektiven in Österreich wesentlich besser als in Deutschland.
Eine der Bedingungen für die besseren Leistungen in der Alpenrepublik ist ein spürbar höherer Beitrag zur GRV. Die gesamte Beitragsbelastung für Beschäftigte ist im Vergleich zu Deutschland allerdings nur höher, wenn man die 4 Prozent Beitragssatz zur zusätzlichen Riester-Vorsorge nicht mit einrechnet. Auch wenn die Arbeitgeber in Österreich höhere Beiträge leisten müssen, war die gesamtwirtschaftliche Entwicklung dort seit Beginn der Reformen günstiger als in Deutschland.
Zu diesen Ergebnissen kommt die neue Studie, die Wissenschaftler des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) und des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Forschern der Arbeiterkammer Wien und der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft erstellt haben.* Sie wird heute auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt.
Weiterlesen: www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/63056_63185.htm
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