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Matthias W. Birkwald

Rosige Zeiten für Rentnerinnen und Renter?

DIE LINKE im Wortlaut

23.03.2016

Von Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Rosige Zeiten – so scheint es – sind für die Rentner*innen in Ost und West angebrochen: Am 1. Juli 2016 werden die Renten im Westen um 4,25 und im Osten um 5,95 Prozent steigen. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass aktuell 15,6 Prozent aller älteren westdeutschen und zwölf Prozent aller ostdeutschen Menschen über 65 Jahren von weniger als 917 Euro im Monat leben müssen und damit offiziell als arm gelten.

Die guten Nachrichten dürfen auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine ostdeutsche Eckrentnerin nach 45 Beitragsjahren immer noch 966 Euro weniger Rente im Jahr erhält als eine vergleichbare Rentnerin im Westen. Ob Ministerin Andrea Nahles jetzt den längst überfälligen Schritt gehen und die Rentenlücke 27 Jahren nach dem Mauerfall nun endlich schließen wird, steht immer noch in den Sternen.

"Lebensleistungsrente" ändert nichts an wachsender Altersarmut

Was nicht in den Sternen steht ist, dass die jetzt ins Spiel gebrachte sogenannte "Lebensleistungsrente" kaum einer Rentnerin oder einem Rentner den Gang zum Sozialamt ersparen wird. Sie spricht ihrem Namen Hohn, denn die im Koalitionsvertrag genannten 40 Beitragsjahre sind als Zugangshürde viel zu hoch. Wer diese und andere Hürden schaffen sollte, wird nach den heutigen Plänen nur bei 30 Entgeltpunkten Rente landen. Das wären ab Juli gerade einmal 766,94 Euro netto im Osten und 814,88 Euro netto im Westen. Das hat mit der Bekämpfung von Altersarmut nichts zu tun, denn im Westen liegt die durchschnittliche "Grundsicherung im Alter" bereits heute nur rund 25 Euro darunter.

Minirenten unter dem Existenzminimum sind also schon heute Realität und die Altersarmut breitet sich Jahr für Jahr immer weiter aus, vor allem in Ostdeutschland! Die Lebensleistungsrente der Koalition wird daran nichts ändern. Leider.

Nein, rosige Zeiten für Rentner und Rentnerinnen sind das nicht, sondern Augenwischerei soweit das Auge reicht. Die Leipziger Volkszeitung schreibt von einem "Strohfeuer" und sogar die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung wird zur Spielverderberin und titelt: "Vom Rentenglück zur Rentensorge." Warum? Nun, drei Viertel der jungen Erwachsenen – das hat eine aktuelle Umfrage der IG Metall ergeben – gehen nicht davon aus, dass ihre Rente im Alter einmal zum Leben reichen wird. 60 Prozent der jungen Generation haben wenig oder kein Vertrauen mehr in die gesetzliche Rentenversicherung.

Die Riesterrente ist tot

Der Grund: Das Rentenniveau – also das Verhältnis einer Durchschnittsrente zum Durchschnittslohn – marschiert Schritt für Schritt in den Keller. Jahr für Jahr wird die Rentenanpassung künftig wegen der Kürzungsfaktoren, die nach Walter Riester (SPD) benannt wurden ("Riester-Faktor") oder sich nachhaltig schimpfen ("Nachhaltigkeitsfaktor"), hinter der Lohnentwicklung zurückbleiben. 44 Prozent wird das sogenannte "Sicherungsniveau vor Steuern" im Jahr 2030 nur noch betragen statt wie dereinst 53 Prozent im Jahr 2001, bevor SPD und Grüne das Rentenniveau drastisch senkten. 53 Prozent, das galt und gilt unter allen Fachleuten als lebensstandardsicherndes Rentenniveau.

Außerdem haben immer mehr Menschen große Lücken in ihrer Erwerbsbiographie. Zeiten der Arbeitslosigkeit, schlechte Teilzeitarbeit und Zeiten mit niedrigen Löhnen machen sich jetzt schon bei Vielen auf dem eigenen Rentenkonto bemerkbar und zwar erschreckend.

Die Riesterrente und die betriebliche Altersversorgung sind kein Ersatz für eine armutsfeste und lebensstandardsichernde gesetzliche Rente. Und das nicht erst seit der Niedrigzinsphase. Die Riesterrente ist tot und Betriebsrenten sollen die gesetzliche Rente ergänzen, aber nicht ersetzen.

Wende in der Rentenpolitik ist möglich

Aber es gibt auch Hoffnungsschimmer. Wir haben uns in den vergangenen Monaten die Meinungen von zahlreichen Expert*innen aus Gewerkschaften und Sozialverbänden angehört. Alle waren sich einig: Das "Drei-Säulen-Modell" aus gesetzlicher Rente, privater Altersvorsorge und betrieblicher Altersversorgung ist gescheitert. Die gesetzliche Rentenversicherung muss wieder gestärkt in den Mittelpunkt einer zukunftsfähigen Rentenpolitik gestellt werden!

DIE LINKE im Bundestag hat deshalb den ANTRAG "Rentenniveau anheben – Für eine gute, lebensstandardsichernde Rente" mit einer neuen Rentenanpassungsformel vorgelegt, der jetzt in die Beratung des Bundestages geht. Dieser Antrag stößt bei Gewerkschaften und Sozialverbänden, aber auch bei vielen Betroffenen auf breite Unterstützung. Die Gewerkschaften kommen langsam mit ihrer Rentenkampagne an den Start. Die Medien feiern die Rentenerhöhungen schon lange nicht mehr, sondern schauen besorgt in die Zukunft. Artikel, die die private Riesterrente feiern, liest man auch keine mehr. Vielleicht schaffen wir ja gemeinsam eine Wende in der Rentenpolitik. Noch ist es Zeit und vernünftige Vorschläge der LINKEN liegen auf dem Tisch: Ein gesetzlicher Mindestlohn, der vor Altersarmut schützt, ein Rentenniveau von 53 Prozent, das im Alter den Lebensstandard sichert, eine einkommens- und vermögensgeprüfte Solidarische Mindestrente, die dafür sorgt, dass niemand im Alter von weniger als 1050 Euro netto leben muss, eine vollständige Angleichung der Ostrenten bis zum Jahr 2020, paritätische Beiträge von Beschäftigten und Unternehmen und viele andere Vorschläge mehr.

Rosige Zeiten für Ältere?

Sie sind möglich.

linksfraktion.de, 23. März 2016