Rede (zu Protokoll) von Matthias W. Birkwald MdB, DIE LINKE.
vom 28. April 2016
Zu TOP 19
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. September 2015
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Albanien
über Soziale Sicherheit
(BT-Drsn. 18/7793 und 18/8119)
Am 23. September vergangenen Jahres wurde in Tirana das Abkommen über Soziale Sicherheit mit der Republik Albanien unterzeichnet.
Mit der heutigen abschließenden Beratung des entsprechenden Gesetzentwurfs schaffen wir die Grundlage für das Inkrafttreten des Abkommens.
Die wirtschaftliche Verflechtung innerhalb Europas und weltweit nimmt immer weiter zu. Es ist deshalb nur konsequent und selbstverständlich, dass die soziale Schutzbedürftigkeit der Beschäftigten, die in den jeweiligen Vertragsstaat entsandt werden, ebenso Berücksichtigung findet. DIE LINKE begrüßt den Abschluss dieses und weiterer Sozialversicherungsabkommen ausdrücklich, solange die Beschäftigten der jeweiligen Vertragsstaaten gleichermaßen profitieren. Dies muss insbesondere auch in Bezug auf die Wahrung der Arbeitsrechte und Entgelte der Beschäftigten gelten.
Ziel des Abkommens ist eine Koordinierung der Rentenversicherungssysteme beider Länder auf Grundlage der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung der Staatsangehörigen beider Seiten. Grundsätzlich soll immer das Rentenversicherungssystem des Landes gelten, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Entstandene Rentenansprüche werden dann entsprechend der in den Ländern erlangten Versicherungszeiten vom jeweiligen Staat auch im anderen Land ausgezahlt. Damit müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im jeweiligen Vertragsstaat entsandt wurden, in Zukunft nicht mehr befürchten, dass sie aufgrund des Erwerbs von Versicherungszeiten in zwei unterschiedlichen Rentensystemen einen Nachteil erfahren. Im Übrigen: Dies erleichtert auch die Arbeit der Sozialversicherungsträger und reduziert den Verwaltungsaufwand.
Hinter all diesen konkreten Erleichterungen steht auch ein grundsätzliches Prinzip:
Vom Abkommen erfasste Personen werden rentenrechtlich in Deutschland und in Albanien mit den jeweiligen Staatsangehörigen gleich gestellt und damit auch gleich behandelt. Das ist ein wichtiges und richtiges Prinzip. Zugleich sei der Hinweis erlaubt, dass es hierbei nicht nur um die eigenen wirtschaftlichen Vorteile gehen darf. Im Klartext: Keine billigen Facharbeiterinnen und Facharbeiter für die heimische Wirtschaft, um etwa in bestimmten Branchen den Fachkräftemangel auszugleichen.
Geht man auf die Internetpräsenz der deutschen Botschaft in Albanien, finden sich dort Stichworte für eine Erklärung an Medienvertreter und -vertreterinnen durch den deutschen Botschafter Herrn Hellmut Hoffmann. Dort heißt es sinngemäß:
Die Arbeitsaufnahme in Deutschland ginge nicht über einen Asylantrag – dies sei aussichtslos. Dagegen seien qualifizierte Fachkräfte in Bereichen mit hohem Bedarf willkommen. Dafür sei eine gute Ausbildung erforderlich, Deutschkenntnisse hilfreich.
In das gleiche Horn blies übrigens auch Bundeskanzlerin Merkel bei ihrem Staatsbesuch in Tirana im Juli 2015:
„Wir sind uns einig, dass Albanien kein Land ist, aus dem Asylanträge anerkannt werden. Albanien könne aber ein Land sein, aus dem Menschen legal nach Deutschland zum Arbeiten kämen. In einigen Branchen herrsche in Deutschland Fachkräftemangel.“
Mit diesen Aussagen des deutschen Botschafters und der Bundeskanzlerin wird deutlich: Es geht ganz offensichtlich allein um die reine Verwertungslogik albanischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für den deutschen Arbeitsmarkt.
Wenn aber nicht nur wir, sondern auch andere Staaten der Europäischen Union, massenhaft Fachkräfte aus Albanien anwerben, dann kommt dieses Land, mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 3.360 Euro - wohlgemerkt im Jahr -, nie auf die Beine!
Und dennoch: Wie ich bereits am Anfang meiner Rede ausgeführt habe, begrüßen wir den Abschluss dieses Sozialversicherungsabkommens. Im Januar dieses Jahres gingen fast 17.500 Albaner und Albanerinnen in Deutschland einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach.
Dass diese Menschen jetzt unter den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung fallen, ist konsequent und deshalb werden wir dem Antrag zu stimmen.
Vielen Dank.
Aktueller denn je: Ausführliches Interview im „Versicherungsboten“ zu allen wichtigen Fragen rund um die gesetzliche und die private Rente
Bundestagsrede in der Orientierungsdebatte am 26. Januar 2022