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Matthias W. Birkwald

Keine Angst vor einem Rentenwahlkampf!

28.04.2016
Matthias W. Birkwald: DIE LINKE hat keine Angst vor einem Rentenwahlkampf

Rede von Matthias W. Birkwald MdB

In der Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE.

Rentenniveau anheben – Altersarmut verhindern

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

In der Koalition kann zurzeit anscheinend jeder zur Rentenpolitik sagen, was er will. Horst Seehofer und Sigmar Gabriel kümmern sich auf einmal um das Rentenniveau. Die Rentenministerin Andrea Nahles redet seit einem Jahr über Betriebsrenten, flexible Renteneinstiege und eine sogenannte Lebensleistungsrente, die ihrem Namen Hohn spricht. Gesetzentwürfe dazu gibt es nicht. Wolfgang Schäuble fordert: Malochen bis zum Sterben minus x. - Da sage ich, Herr Schiewerling: Damit versetzt er viele Menschen in Angst und Schrecken. Das ist völlig neben der Kappe.

(Beifall bei der LINKEN)

Was tut die Bundeskanzlerin? Sie warnt mit CDU/CSU-Fraktionschef Kauder vor einem Rentenwahlkampf. Ich sage Ihnen: Es wird einen Rentenwahlkampf geben. Die Gewerkschaften werden schon im Herbst eine Kampagne für eine höhere gesetzliche Rente starten. Die Linke hat keine Angst vor einem Rentenwahlkampf.

Wir wissen auch: Je höher die Löhne, desto besser die Rente. Darum wünschen wir Linken allen derzeit streikenden Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst von ganzem Herzen viel Erfolg für ihren Kampf um höhere Löhne und eine gute Altersversorgung.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir Linken sagen schon seit 2012: Riester ist gescheitert. - Im Gegensatz zu den Grünen, Markus Kurth, hat das jetzt auch Horst Seehofer verstanden - prima. Darum fordern wir, dass alle Riester-Sparer und ‑Sparerinnen ihr Geld von den Versicherungen freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung überführen dürfen sollten. Da kostet es nämlich keine Provision. Da ist es vor allem sicher.

(Beifall bei der LINKEN)

Die gesetzliche Rente muss den Lebensstandard wieder sichern, und sie muss vor Altersarmut schützen. Dazu brauchen wir eine große Rentenreform. Das Rentenkonzept der Linken umfasst elf Punkte, hier die drei wichtigsten:

Erstens. Alle Menschen mit Erwerbseinkommen müssen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen - auch die Ärztin, der Bundestagsabgeordnete, die verbeamteten Staatssekretäre und die Selbstständigen. Für Langzeiterwerbslose müssen endlich wieder Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Es muss gelten: Wer 10 000 Euro Gehalt hat, muss auch für 10 000 Euro Beiträge zahlen.

Die Beitragsbemessungsgrenze muss schrittweise aufgehoben werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Das Wichtigste ist, Herr Weiß: Das Rentenniveau muss wieder auf 53 Prozent angehoben werden. Das ist nämlich das Rentenniveau, das wir im Jahr 2000 hatten, bevor Gerhard Schröder, SPD, Walter Riester, SPD, und die Grüne, Markus Kurth, die Rente in den Sinkflug geschickt haben.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf des Abg. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ein höheres Rentenniveau zu fordern, ist kein Populismus, lieber Markus, das ist auch finanzierbar.

Jetzt rechne ich Ihnen allen hier einmal vor, was das kostet und wie viel mehr Rente das bringt. Wer zum Beispiel in Köln lebt und in 45 Arbeitsjahren immer durchschnittlich verdient hat und am 1. Juli in Rente geht, wird 1 370 Euro Rente erhalten. Auf diesem Niveau will Sigmar Gabriel es einfrieren; das sagt er jedenfalls.

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Das ist Unsinn!)

Wir Linken wollen das Rentenniveau auf 53 Prozent anheben. Das würde den Lebensstandard sichern. Der Rentner hätte dann eine Rente von 1 522 Euro brutto. Das sind 152 Euro mehr Rente - ganz ohne Riester.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich weiß, viele Menschen schaffen keine 45 Arbeitsjahre, und viele haben deutlich unterdurchschnittliche Löhne. Aber lassen Sie uns einmal beim Durchschnitt bleiben. Was müsste denn eine durchschnittlich verdienende Beschäftigte mit 3 022 Euro brutto für 152 Euro mehr Rente mehr an Beitrag zahlen, Herr Staatssekretär Spahn? Nur 35 Euro. Ihr Arbeitgeber müsste ebenfalls 35 Euro mehr zahlen. Ich sage Ihnen: Das schafft kein Riester-Vertrag.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf des Abg. Dr. Martin Rosemann (SPD))

Die jungen Leute wären auch bereit, Herr Dr. Rosemann, diese knapp 35 Euro zu zahlen. Das behaupte nicht ich, nein, das hat eine Studie der IG Metall ergeben. 72 Prozent der befragten 18- bis 34-Jährigen wären bereit, höhere Rentenbeiträge zu zahlen, wenn sie später eine gute Rente erhielten und wenn sie sich nicht durch das Kleingedruckte von 5 000 verschiedenen Riester-Verträgen wühlen müssten.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie uns die gesetzliche Rente stärken. Wenn die Arbeitgeber wieder ihren Anteil zahlten, wäre eine gute Rente möglich. In Österreich, Herr Kollege Weiß, gibt es die schon seit Jahrzehnten. Dort zahlen alle Erwerbstätigen in die Rentenkassen ein, auch Beamte und auch Politiker und Politikerinnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dort sind die Rentenbeiträge höher als in Deutschland und seit 28 Jahren stabil. Dort zahlen die Arbeitgeber sogar mehr ein als die Beschäftigten. Deshalb sind die Renten deutlich höher als in Deutschland. Ein langjährig versicherter Mann, der 2013 in Rente ging, erhält in Österreich 1 820 Euro Rente. Das sind 770 Euro mehr im Monat, als ein vergleichbarer Mann in Deutschland Rente bekommt. 770 Euro! Jeden Monat! - Und alles über die gesetzliche Rente. Würden wir das so machen, gäbe es auch bei uns weniger Altersarmut.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Für all diejenigen, die trotz eines höheren Rentenniveaus nur eine niedrige Rente bekämen, bräuchten wir innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung eine Solidarische Mindestrente. Sie soll als Zuschlag nach einer Einkommens- und Vermögensprüfung aus Steuermitteln gezahlt werden. Die Linke kämpft dafür, dass niemand im Alter von weniger als 1 050 Euro leben muss.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)