Schon bald könnte jeder fünfte Rentner von Altersarmut bedroht sein - so warnen aktuelle Studien. Bereits in der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages hören nämlich die ersten geburtenstarken Jahrgänge auf zu arbeiten. Die Story untersucht, wie es den deutschen Rentnern heute geht und wie die Zukunft aussehen könnte.
Braungebrannt und gut gelaunt blickt das alte Paar in den mallorquinischen Sonnenuntergang. 5000 Euro Rente haben sie monatlich zur Verfügung, um gemeinsam auf der Insel alt zu werden. „Wir haben uns das aber auch redlich verdient“, sagen sie. Doch zukünftig verfügen wohl immer weniger Rentner über ein derart üppiges Einkommen.
Tatsächlich muss eine zunehmende Anzahl von Senioren längst auf jeden Euro schauen. „Ich kann mir keinen Urlaub leisten“, klagt die 65-jährige Rentnerin aus Mettmann, die zwar 50 Jahre in die gesetzliche Versicherung eingezahlt hat, aber trotzdem nur 900 Euro heraus bekommt. Damit liegt sie nur etwa 100 Euro über der Summe, die der Staat mittellosen Senioren als sogenannte Grundsicherung zur Verfügung stellt. „Ich habe ein Leben lang gearbeitet und bekomme trotzdem kaum mehr als jemand, der nie arbeiten gegangen ist. Das ist doch nicht gerecht“, sagt die 65-Jährige. Um ihren Lebensstandard einigermaßen zu halten, geht sie nebenbei Putzen und teilt sich mit ihrer Tochter eine Wohnung. Privat vorsorgen konnte sie nicht. „Wovon denn? Ich habe nebenbei noch zwei Kinder alleine groß gezogen.“
Schon bald könnte jeder fünfte Rentner von Altersarmut bedroht sein - so warnen aktuelle Studien. Bereits in der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages hören nämlich die ersten geburtenstarken Jahrgänge auf zu arbeiten. Dadurch gerät das das gesetzliche Rentensystem zunehmend unter Druck. Immer mehr Alte wollen versorgt werden, immer weniger Junge zahlen ein. Die Folge: Das Rentenniveau wird sinken.
Nach 50 Jahren Arbeit bekommt Martina B. nur 900 Euro Rente im Monat. Das reicht nicht, deshalb geht sie mehrmals die Woche putzen und lebt bei ihrer Tochter zu Untermiete.
Und der Anteil der Rentner, die Grundsicherung bekommen, obwohl sie ihr Leben lang gearbeitet haben, steigt. Für den, der etwas bei Seite legen konnte, schien zunächst die Riesterrente eine Lösung zu sein. 16 Millionen Menschen haben „geriestert“ – doch heute ist die Enttäuschung groß. Denn das angelegte Geld hat nicht die Erträge gebracht, die von der Versicherungswirtschaft einst in Aussicht gestellt wurden. Das ist auch in der Politik endlich angekommen. „Riester ist gescheitert“, darüber sind sich fast alle politischen Parteien einig. Die Frage ist nur: Welche Konsequenzen ziehen sie daraus? Und wie sollen junge Menschen, die heute mit Schaudern auf ihren Rentenbescheid schauen, für das Alter vorsorgen? Und wer hat dafür überhaupt ausreichend Geld übrig?
Marcel Fratzscher sieht da schwarz. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat erschreckende Zahlen: „Die Vermögen in Deutschland sind ungleich verteilt. 40 Prozent der Deutschen haben heute schon keinerlei Vermögen gebildet, das heißt, sie werden später im Alter komplett vom Staat abhängig sein.“ Aus der Traum vom sonnigen Lebensabend auf Mallorca. Und nicht nur das: Kai-Uwe Groll, Betreiber eines Pflegeheims in Bad Sassendorf rechnet vor: „Heute kostet ein Pflegeplatz in etwa 3500,- Euro monatlich, Eigenanteil 1800 Euro, Tendenz steigend. Wer wird das noch aufbringen können?“ Und er verrät: „Wer heute ein neues Pflegeheim baut, der konstruiert es so, dass aus den Einbettzimmern mit wenig Umbau wieder Mehrbettzimmer gemacht werden können.“ Schließlich ist die Versorgung dort billiger. Kein schöner Ausblick für die Menschen mit wenig Einkommen, die im Alter pflegebedürftig werden.
Soziale Gerechtigkeit ist eines der wichtigsten Schlagworte im Wahlkampf. Doch welchen Stellenwert hat das Thema Rente überhaupt bei der Bundestagswahl? Und welche Lösungsmöglichkeiten gibt es? Wie geht es den deutschen Rentner heute, und wie den Rentnern der Zukunft? Die Story-Autoren Marko Rösseler und Jörg Laaks sind auf die Suche nach Antworten gegangen.
Autoren: Marko Rösseler und Jörg Laaks
Redaktion: Martin Suckow
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