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Matthias W. Birkwald

Sozialkassen vor Beitragsverlusten bewahren

Abschließende Beratung des Antrages der LINKEN 17/3042

17.12.2010
Redebeitrag von Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.) am 17.12.2010 um 13:47 Uhr (82. Sitzung, TOP 39)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Das Bundesarbeitsgericht, Herr Vogel, hat am Dienstag ein klares und deutliches Urteil gefällt: Die sogenannte Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice­agenturen, kurz CGZP, ist tarifunfähig. Das heißt, die christlichen Gewerkschaften hätten niemals Lohndumpingtarifverträge abschließen dürfen, und sie dürfen es auch künftig nicht. Das Urteil ist ein tarifpolitischer Meilenstein und ein großartiger Erfolg für die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, die jetzt nämlich vorenthaltenen Lohn nachfordern dürfen.

Aber das Urteil ist nicht vom Himmel gefallen. Wir verdanken es der gemein­samen Initiative der Gewerkschaft Verdi, der Professoren Peter Schüren und Wolf­gang Däubler und des Landes Berlin. Darum möchte ich mich hier bei ver.di, den beiden Wissenschaftlern und vor allem bei der damaligen Berliner Arbeitssenatorin Dr. Heidi Knake-Werner und ihrer Nachfolgerin Carola Bluhm ‑ beide übrigens Mitg­lieder der LINKEN ‑ herzlich bedanken.

(Beifall bei der LINKEN - Paul Lehrieder (CDU/CSU): Das ha­ben wir ja vermutet!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Christengewerkschaften sind ein gran­dioser Etikettenschwindel: Sie sind keineswegs christlich, und Gewerkschaften sind sie erst recht nicht. Ihre Nächstenliebe galt bisher ausschließlich den Arbeitgeberin­nen und Arbeitgebern. Mit den Gefälligkeitstarifen ist jetzt Schluss. Dazu kann ich nur sagen: Gott sei Dank, dabei muss es auch bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Bundesarbeitsgericht hat seinen Job getan. Was ist jetzt zu tun? Es muss dringend dafür gesorgt werden, dass die Sozialkassen die Beiträge für 2006 erhal­ten, Herr Vogel. Es geht um viel Geld. Die Bundesregierung hätte längst handeln müssen. Seit 2008 liegt das Problem auf dem Tisch, und 2009 hat Berlins Arbeitsse­natorin Carola Bluhm die Bundesarbeitsministerin aufgefordert, aktiv zu werden. Frau Bluhm hat gegen die CGZP geklagt. Das hätten Sie, Herr Staatssekretär Fuchtel, und Ihre Ministerin Frau von der Leyen ebenfalls tun können. Sie haben es nicht ge­tan, und das ist nicht zu akzeptieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Nichtstun kostet die Sozialkassen jedes Jahr mehr als eine halbe Mil­liarde Euro. Ihnen geht es doch immer um Beitragssatzstabilität. Diese Beiträge ge­hen der Rentenversicherung und der Krankenversicherung komplett verloren, wenn die Ansprüche verjähren; diese Gefahr besteht. Für die Jahre 2004 und 2005 ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. 1,2 Milliarden Euro sind futsch, Herr Vogel. Weitere zweieinhalb Milliarden Euro stehen auf dem Spiel. Die Deutsche Rentenver­sicherung Bund muss deswegen sofort die Leiharbeitsfirmen auffordern, zu melden, ob sie nach den miesen Tarifen der christlichen Gewerkschaften gezahlt haben oder nicht. Damit wäre die Verjährung unterbrochen, und mehr als eine halbe Milliarde Euro Nachzahlung wäre für das Jahr 2006 gesichert. Wenn hier nicht sofort gehan­delt wird, werden die Lohndrücker geradezu ermuntert, an ihrem schmutzigen Trei­ben festzuhalten. Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP, unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Lohndrückergewerkschaft CGZP ist nur die sichtbare Folge politischer Fehlentscheidungen und arbeitsrechtlicher Missstände. Es geht nicht allein um Miss­brauch des Leiharbeitsgesetzes, worüber wir heute Vormittag geredet haben. Das Gesetz selbst öffnet dem Lohndumping Tür und Tor. Hier haben sich alle außer der LINKEN nicht mit Ruhm bekleckert. Rot-Grün hat es eingeführt, und Schwarz-Gelb hält an der Einladung zur Lohndrückerei weiterhin fest. Im Klartext: In der Leiharbeit herrscht Lohndumping per Gesetz. Das müssen wir ändern, und zwar ganz dringend.

(Beifall bei der LINKEN)

Die LINKE hat bereits Anfang des Jahres einen Antrag zur strikten Begren­zung von Leiharbeit vorgelegt. Einen Gesetzentwurf zur dingend notwendigen Ände­rung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes hat die Linke ebenfalls eingebracht. Was wollen wir? Wir LINKEN wollen unter anderem, dass Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter ab der ersten Stunde gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten wie die Festangestellten. Wir wollen, dass Leiharbeit in einem Betrieb auf höchstens drei Monate begrenzt wird. Die LINKE will, dass Betriebsräte das Recht erhalten, über den Einsatz von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern mitzubestimmen. Wir sagen: Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter dürfen für ihre Flexibilität nicht mit Dumpinglöhnen bestraft werden. Nein, stattdessen müssen sie mit einer Flexibilitätsprämie von 10 Prozent Lohnzuschlag belohnt werden. Kurzum: Das Lohndumping per Gesetz muss endlich ein Ende haben.

Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen einen guten Rutsch ins neue Jahr und ein friedliches 2011. Ich freue mich auf die Debatten mit Ihnen, Herr Vogel.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP))