Wie können wir die Medien aufrütteln? Welche Herkules-Aufgabe da wartet, zeigte das vergangenen Wochenende exemplarisch, mit dem Presseclub im Ersten und einem Kommentar in der hochgeschätzten Süddeutschen Zeitung.
Auch diese Leuchttürme des Qualitätsjournalismus offenbarten wieder schier unglaubliches Unwissen in Rentenfragen.
Das Ärgerliche: Je öfter Unfug wiederholt wird, desto fester setzt er sich in den Köpfen der Zuschauer fest.
So fordert Alexander Hagelüken in der Süddeutschen vom 9./10. Juni einen Aufstand der Jungen, um sich vor künftiger Überforderung zu schützen. Dringend sollten teure Wahlgeschenke für die Rentner wieder einkassiert werden. Zitat: „Die vielen Milliarden, die im Regelfall gut versorgten Senioren von heute zugute kommen, werden später gebraucht.“
Hat Hagelüken etwa noch nichts davon gehört, dass die Durchschnittsrenten nur knapp den Grundsicherungsbedarf überschreiten und die westdeutschen Frauenrenten im Schnitt sogar deutlich unter dieser Armutsschwelle liegen?
Weiß er nicht, dass die Renten im Umlageverfahren funktionieren, dass also bis auf eine schmale Reserve alle Einnahmen noch im selben Jahr ausgegeben werden. Gesparte Milliarden können somit nicht im Sparstrumpf auf die Rentner von morgen warten.
Gebündelte Ahnungslosigkeit offenbarte sich auch im ARD-Presseclub dem TV-Publikum. Gleich zu Beginn verkündete Moderator Jörg Schönenborn, die GroKo steuere mit Vollgas in eine Kostenexplosion der Renten und die junge Generation müsse dafür die Zeche zahlen.
Und kein einziger und keine einzige seiner geladenen Fachjournalisten stellte die These von der angeblichen Überlastung der Jungen in Frage. Alle beteten fromm die Notwendigkeit des von Gerhard Schröder und Walter Riester installierten Drei-Säulen-Modells nach. Eine Rückkehr zu einer lebensstandardsichernden Rente alter Prägung? Vollkommen unmöglich, weil viel zu teuer und nicht finanzierbar für die Jungen!
Nur zur Klarstellung: Die zweite und dritte Säule, also die über Lebensversicherungen organisierten neuen Betriebsrenten und die Riester-Rente erleben derzeit ein gewaltiges Kosten- und Renditedesaster.
Das Drei-Säulen-Modell sorgt nachweislich erst für deutlich höhere Gesamtbeiträge und später für eine schlechtere Gesamtversorgung als eine starke gesetzliche Rente. Die Hauptleidtragenden dieses Unfugs sind übrigens die Jungen von heute. Also jene Gruppe, die man angeblich vor Überlastung bewahren will. Die einzigen Gewinner des Drei-Säulen-Modells sind die Arbeitgeber sowie Allianz & Co.
Von all dem wissen die Experten offenbar nichts. Sie pflegen stattdessen den unsäglichen Vergleich vom Kampf Jung gegen Alt und keiner der Pressclub-Diskutanten kommt auf die naheliegende Idee, zur Finanzierung der Rente auch jene heranzuziehen, die bislang nichts beitragen: Freiberufler, Selbstständige und Beamte. Ein Trauerspiel.
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