Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit mehr als einem Jahr steht der schwarz-gelbe Beschluss, eine Kommission zur Altersarmut einzusetzen, im Koalitionsvertrag. Im kommenden April soll sie ihre Arbeit aufnehmen. Erst im September 2012 wird der Abschlussbericht vorliegen.
(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Sie wissen ja schon alles, Herr Birkwald!)
Das ist viel zu spät. Meine Damen und Herren aus Union und FDP: Trödeln Sie nicht rum! Legen Sie einen Zahn zu und den Abschlussbericht deutlich eher vor!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Anton Schaaf (SPD): Genau!)
Bereits heute gibt es Armut im Alter. In Zukunft werden davon leider noch mehr Menschen betroffen sein. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, sprechen in Ihrem Koalitionsvertrag von der „Gefahr einer ansteigenden Altersarmut“. Ihnen ist auch bekannt, dass die Menschen im Osten besonders gefährdet sind, künftig im Alter in Armut zu leben, weil die Löhne zu niedrig und die Arbeitslosigkeit zum Teil doppelt so hoch ist wie im Westen.
Frauen waren, sind und werden auch in Zukunft weiterhin besonders stark von Altersarmut betroffen sein. Menschen, die von Erwerbsminderungsrente leben müssen, werden ebenfalls sehr häufig Renten unterhalb des Existenzminimums beziehen. Auf Ihrem Parteitag im November vergangenen Jahres haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, klar eingeräumt, dass Altersarmut politische Ursachen hat. Sie geben zu, dass Altersarmut eine Folge des abgesenkten Rentenniveaus und eine Folge niedriger Löhne ist. Sie wissen das alles, und trotzdem verschärfen Sie das Problem, anstatt es zu lösen. Kommen Sie endlich in die Gänge und tun Sie etwas gegen die Altersarmut!
(Beifall bei der LINKEN)
Ich weiß, Sie wollen es nicht mehr hören, aber richtig ist es trotzdem: Nehmen Sie die Rente erst ab 67 zurück! Führen Sie einen gesetzlichen Mindestlohn ein, und stellen Sie die Weichen für gute statt wie bisher für mies bezahlte Arbeit!
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Regierung kann oder will ja noch nicht einmal genau sagen, was sie nun genau unter Armut versteht. Schwarz-Gelb will, dass die Kommission eineinhalb Jahre lang berät, aber kann oder will nicht sagen, worüber und mit wem eigentlich. Genau hier setzt der vorliegende Antrag der Fraktion Die Linke an. Die Linke will, dass die Menschen ein würdiges Leben im Alter führen können. Wir nehmen das Problem Altersarmut sehr ernst. Deshalb sind uns die Zusammensetzung und die Aufgaben der Altersarmutskommission wichtig.
Ich will hier nur einige unserer Forderungen nennen: Die Linke will die Kommission aus den Hinterzimmern der Ministerien an die Öffentlichkeit bringen. Deshalb müssen alle Parteien genauso wie Gewerkschaften, Sozialverbände, Seniorenorganisationen sowie Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft der Kommission angehören und nicht ausschließlich Regierungsmitglieder und Ministerialbeamtinnen und -beamte. Dass die Kirchen dazugehören, hat der Herr Staatssekretär freundlicherweise schon erklärt.
Wir wollen, dass die gesetzliche Rente wieder den einmal erreichten Lebensstandard sichert und dass sie vor Armut schützt.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb soll die Kommission entsprechende Reform- und Finanzierungsvorschläge entwickeln.
Erstens. Die Linke will eine solidarische Alterssicherung. Darum soll die Kommission prüfen, wie die Rente zu einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung ausgebaut werden kann. Alle Erwerbstätigen ‑ sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Beamtinnen und Beamte, Politiker und Politikerinnen und selbstverständlich auch Selbstständige ‑ sollen einbezogen werden.
Zweitens. Die Linke will, dass Altersarmut nicht nur mit einer guten Rentenpolitik, sondern ebenso mit einer guten Arbeitsmarktpolitik bekämpft wird. Kurz und gut: Es geht um gute Arbeit, gute Löhne und gute Rente.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb soll die Kommission Vorschläge entwickeln, wie Frauen und Männer Familie und Beruf künftig besser vereinbaren können. Hierzu zählt auch, Zeiten der Pflege und der Erziehung besser in der Rente zu berücksichtigen.
Nicht zuletzt wollen wir, dass die Kommission die Situation in Ostdeutschland ganz besonders im Blick hat. Ich fordere die Kommission auf, Vorschläge zu machen, wie die Menschen vor der bereits heute laut rauschenden Welle von Altersarmut in Ostdeutschland geschützt werden können. Denn das Ziel muss sein, dass alle Menschen in Deutschland in Würde alt werden können ‑ in Köln und in Greifswald.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
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