Mit einem aktiven Gestaltungsanspruch müssen Gewerkschaften und DIE LINKE die betriebliche Auseinandersetzungen um Arbeit 4.0 und Digitalisierung der Arbeit wie auch die politische Debatte um die Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen in Angriff nehmen.
Darin stimmten die 25 Teilnehmenden mit den Referent*innen überein die Matthias W. Birkwald zum vierten LINKEN Feierabendtalk in seinem Wahlkreisbüro begrüßen konnte: Jessica Tatti MdB, Sprecherin der LINKEN im Bundestag für Arbeit 4.0. und Dieter Kolsch, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Köln/Leverkusen.
Bundeskanzlerin Merkel, das Arbeitgeberlager und die offensiv deren Interessen vertretende FDP versuchen, so berichtete Jessica Tatti aus dem Bundestag, mit angeblichen Sachzwängen der Digitalisierung soziale Rückschritte durchzusetzen. Das gilt besonders für den Versuch, das Arbeitszeitgesetz zu Lasten des Schutzes der Beschäftigten zu verschieben, und die FDP fordert im Bundestag sogar, den Acht-Stunden-Tag im Arbeitszeitgesetz zu streichen.
Diese und ähnliche Vorstöße, mit der Technik des 21. Jahrhunderts den sozialen Rückschritt in die Arbeitsbeziehungen des 19. Jahrhunderts lehnen IG Metall, Sozialverbände, Wohlfahrtsverbände und DIE LINKE rundherum ab! Um erfolgreich dagegen halten zu können müssen Gewerkschaften, die politische und die gesellschaftliche Linke eine eigene aktive Sprache finden und ihre Gestaltungsansprüche offensiv anmelden. So könnten digitale Arbeitsmittel sowohl zu einer Entgrenzung des Arbeitstages und einer höheren Belastung durch mehr Multitasking führen, sie bieten aber auch Chancen für mehr Zeitsouveränität der Beschäftigten, die es kämpferisch einzufordern gilt.
Jessica Tatti betonte in ihrem Beitrag weiterhin die Notwendigkeit, soziale Rechte und betriebliche Mitbestimmungsrechte auch für die neuen Erwerbstätigkeitsformen in Crowdworking und Gig-Ökonomie durchzusetzen. Sie berichtete dazu bereits von einem erfolgreichen Fachgespräch der Bundestagsfraktion DIE LINKE mit der Gewerkschaft ngg und den Kölner Betriebsräten von deliveroo und foodora.
Mit Dieter Kolsch, dem 1. Bevollmächtigten der IG Metall Köln/Leverkusen, nahm erstmals ein leitender Vertreter einer Kölner Einzelgewerkschaft als Referent am LINKEN Feierabendtalk teil.
Er berichtete von den bereits erfreulich vielfältigen und breit aufgestellten Aktivitäten der IG Metall in den Betrieben für eine aktive Gestaltung von Digitalisierung und Arbeit 4.0 zu werben: Eine herausgehobene Rolle spielt dabei die Forderung nach einem Recht auf Qualifizierung, damit nicht nur ältere Kolleg*innen mit den Anforderungen der neuen Techniken Schritt halten können. Wo möglich, müsse dieses Recht in Tarifverträgen gesichert und betrieblich oder durch Branchenfonds der Kapitalseite finanziert werden. Doch sei auch ein Nachdenken über den Umbau der Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitskraftversicherung, die auch unabhängig von Erwerbslosigkeit den Zugang zu Qualifizierungen ermöglicht und die für den Werterhalt der Arbeitskraft sorgt, dringend notwendig.
Weitere spannende Anregungen brachte der Abend auch zu offenen Fragen, z.B. nach den Möglichkeiten gewerkschaftlicher Ansprache und Organisierung, wenn sich Beschäftigte fast nur noch online begegnen, und wie der Betriebsbegriff im Betriebsverfassungsgesetz verändert werden muss, um auch digital fragmentiert tätigen Beschäftigten das Recht auf betriebliche Mitbestimmung zu ermöglichen.
Es gab eine lebhafte Debatte und der Abend war lehrreich, sehr interessant und gelungen.
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