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Matthias W. Birkwald

Linke und Gewerkschafter fordern Reform der Arbeitsmarkt-Statistik

Matthias W. Birkwald im Nachrichten - Interview des mdr

29.03.2019
Ralf Geißler (MDR AKTUELL)

Immer, wenn neue Arbeitslosenzahlen veröffentlicht werden, geht es hoch her in den Kommentarspalten. Leser schreiben empört, die Arbeitslosenquote sei von der Politik geschönt. Hunderttausende auf Jobsuche würden darin gar nicht erfasst. Doch was genau verrät die Arbeitslosenquote? Und wenn sie ungenau ist, wäre es nicht Zeit, das zu ändern?

von Ralf Geißler, MDR AKTUELL

Die deutsche Arbeitslosenquote ist zu schön, um wahr zu sein - so sieht es Matthias W. Birkwald, Vorsitzender der Linken im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales. Denn in der Statistik fehlten etwa Langzeitarbeitslose über 58, Ein-Euro-Jobber und Menschen in Weiterbildung.

Der größte Hammer ist, wenn ein Arbeitsloser sich morgens bei der Arbeitsagentur krank meldet, dann wird er aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen. Das heißt, wenn jemand krank ist, dann ist er offiziell nicht mehr arbeitslos. Das finde ich absolut daneben.  (Matthias W. Birkwald, Die Linke.)

Birkwald hat nachgerechnet. Die Zahl der Arbeitslosen, sagt er, liege um 900.000 Menschen höher als offiziell angegeben. Tatsächlich haben diverse Bundesregierungen verschiedene Gruppen aus der Statistik herausgenommen.

Die Arbeitsagentur ist bei ihren Veröffentlichungen an die Vorgaben der Politik gebunden. Trotzdem lässt sie Monat für Monat durchblicken, dass es über die amtliche Zahl hinaus weitere Arbeitslose gibt, wie Sprecherin Susanne Eikemeier erklärt. Über Jahre habe man festgestellt, dass sich die Menschen ein schärferes Bild von der Arbeitslosigkeit wünschten. "Wir möchten diesem Wunsch gerne nachkommen und weisen deshalb seit dem Jahr 2010 die sogenannte Unterbeschäftigung aus", erklärt Eikemeier.

Diese sogenannte Unterbeschäftigung erfasst auch jene, die in Arbeitsmarktmaßnahmen stecken. So werden auch Kurzarbeiter und Selbständige mitgezählt, die noch vom Gründerzuschuss leben.

Gewerkschaft fordert transparentere Arbeitslosenquote

Sachsens DGB-Vorsitzendem Markus Schlimbach ist diese Zahl wiederum zu breit gefasst, um Arbeitslosigkeit realistisch abzubilden. Er plädiert dafür, die bisherige offizielle Quote um bestimmte Gruppen zu ergänzen.

Schlimbach fände die Arbeitslosenzahlen zum Beispiel realistischer, wenn auch diejenigen, die Weiterbildungsmaßnahmen ergreifen, in der Statistik mitgezählt würden. Denn auch die wären auf der Suche nach Arbeit und hätten damit ein Recht, in der Arbeitslosenstatistik aufzutauchen. Für Schlimbach ist das eine Frage der Transparenz.

Linke: Arbeitslosenstatistik soll breiter gefasst werden

Linken-Politiker Matthias W. Birkwald würde die Arbeitslosenstatistik dagegen so breit wie möglich fassen. Zusätzlich müsse man erwähnen, wie viele Menschen unfreiwillig nur Teilzeit arbeiten.

Es ist Zeit, zu handeln, statt zu tricksen. Alle bisher nicht gezählten Arbeitslosen müssen in die offizielle Arbeitslosen-Statistik aufgenommen werden, sodass man eine tatsächliche Arbeitslosigkeit benennen kann. (Matthias W. Birkwald, Die Linke.)

Fragt man bei den Regierungsparteien nach, was sie davon halten, erntet man Schweigen. Mehrere Politiker aus Union und SPD wollten sich zu einer Reform der Zählweise nicht äußern.

Mehr Ehrlichkeit gab es zuletzt übrigens 2005. Die Regierung von Gerhard Schröder nahm hunderttausende Sozialhilfeempfänger in die Statistik auf. Dafür erntete die SPD Häme, denn auf dem Papier war die offizielle Arbeitslosenzahl dadurch sprunghaft angestiegen.

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