In Deutschland kann Erwerbsminderungsrente beziehen, wer aufgrund einer Krankheit oder Behinderung für einen nicht absehbaren Zeitraum täglich keine drei Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein kann.
So lautet das Gesetz.
Die Statistik zeigt es klar: Betroffene sind überdurchschnittlich oft
von Armut betroffen. Damit befinden sie sich in einem Trend, dem auch Altersrentner unterliegen. Zunehmend können weder Altersrenten noch die Renten wegen Erwerbsminderung Menschen vor Armut schützen.
2,6 Prozent der Rentner in Deutschland müssen als arm gelten, wenn man das Existenzminimum von aktuell 808 Euro im Alter zugrunde legt, und 15 Prozent aller Menschen mit einer Erwerbsminderungsrente müssen
ergänzend Sozialhilfe (Grundsicherung) beziehen, um von durchschnittlich 803 Euro leben zu "können".
Matthias Birkwald, der Rentenexperte der LINKEN im Bundestag, weist jedoch hin, dass als arm nach EU-Definition aber bereits gilt, wer als allein lebender Mensch weniger als 1123 Euro im Monat zur Verfügung hat.
Danach seien heute bereits 1,2 Millionen Männer und 1,7 Millionen Frauen
Menschen über 65 Jahre als arm zu bezeichnen. Zusammen 2,9 Millionen Menschen.
Die Große Koalition hat deshalb die Grundrente in ihren Koalitionsvertrag
geschrieben. Sie will damit Rentner besser stellen, die ihr Leben lang gearbeitet haben und mit ihren Beiträgen trotzdem keine auskömmliche Rente erwirtschaften können, weil sie zu wenig verdienen.
Einigkeit bestand zwischen Union und SPD darüber, dass alle, die 35 Jahre an Beitragszeiten aufweisen, eine Rente zehn Prozent oberhalb der Grundsicherung bekommen sollen.
Die Grundsicherungs- oder Sozialhilfeschwelle liegt aber derzeit nur bei besagten 808 Euro. Seit 2003 verdoppelte sich die Zahl der von Grundsicherung im Alter Betroffenen, und die Zahl der von Grundsicherung wegen Erwerbsminderung Betroffenen verdreifachte sich.
Gerade Erwerbsminderungsrentner trifft zudem die Bedingung von 35 Arbeitsjahren hart. Viele kommen so nicht in den Geltungsbereich der Grundrente.
Auf Nachfrage im Ministerium für Arbeit und Soziales erfuhr "neues
deutschland" nun, dass die Bedingung von 35 Arbeitsjahren dennoch beibehalten werden soll. Gedacht sei aber an Spielräume bei der Bewertung dieser Jahre.
"Der Beschluss des Koalitionsausschusses sieht zur Vermeidung von
Abbruchkanten bei der Grundrentengewährung jedoch u. a. auch bei den
Grundrentenzeiten" die Einführung eines Einstiegsbereichs ("kurze wirksame Gleitzone") vor. Dieser wird dazu führen, dass insbesondere auch EM-Bestandsrentenbezieher stärker von der Grundrente profitieren. Die genaue Ausgestaltung steht allerdings noch nicht fest."
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