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Matthias W. Birkwald

Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Direktversicherungsgeschädigte, liebe Betriebsrentnerinnen und -rentner!

"Jede Leistungsverbesserung für Rentnerinnen und Rentner ist eine gute Sache" schreibt Matthias W. Birkwald im aktuellen Renten-Newsletter.

18.12.2019

Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Direktversicherungsgeschädigte, liebe Betriebsrentnerinnen und  -rentner,

da mich täglich sehr viele Zuschriften von Direktversicherungsgeschädigten und anderen „Doppelt- und Dreifachverbeitragten“ erreichten und es mir und meinem Büro nicht möglich ist, diese einzeln zu beantworten, versuche ich, die sehr turbulente vergangene Woche aus meiner Perspektive im aktuellen Newsletter kurz zusammenzufassen.

Ich möchte als erstes noch einmal betonen, dass für mich die Verabschiedung des GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz am Donnerstag ein Erfolg Ihrer vielen Briefe, Emails und großen und kleinen Demonstrationen ist und damit der Erfolg einer bisher noch nicht dagewesenen rentenpolitischen außerparlamentarischen Opposition.

Das freut mich auch als Demokraten und ich muss auch zugeben, dass ich nicht immer daran geglaubt habe, dass sich die Große Koalition dazu aufraffen würde, Ihren Fehler aus dem Jahr 2003 anzuerkennen und dann auch zumindest im Ansatz zu korrigieren.

Ich freue mich aber ebenso, dass unsere LINKE Hartnäckigkeit im Bundestag mit drei Anträgen aus den Jahren 2015, 2017 und 2018, drei Anhörungen und vielen Plenar- und Ausschussdebatten sich am Ende zumindest für kleine und mittlere Betriebsrenten ausgezahlt hat.

Jetzt ist die Koalition endlich aufgewacht und mit dem zusätzlichen Freibetrag von knapp 160 Euro werden ab dem 1.1.2020 viele Direktversicherte und Betriebsrentnerinnen und -rentner um rund 25 Euro im Monat entlastet.

Damit werden die Krankenkassenbeiträge bei Betriebsrenten zwischen knapp 160 Euro und gut 318 Euro de facto halbiert.

Das ist eine Maßnahme, die in Zukunft viele Menschen, die unter den Rentenreformen der 2000er Jahre leiden, spürbar entlasten werden wird. In der Gesamtsumme werden Betriebsrentnerinnen und -rentner und Direktversicherte im kommenden Jahr über eine Milliarde Euro mehr in der Tasche haben!

Wie viele genau das sein werden, ist noch offen, da der Gesetzentwurf mit Zahlen aus dem Jahr 2015 argumentiert und deshalb werden es sicher weniger als die versprochen 60 Prozent aller Betriebsrentnerinnen und -rentner sein, aber jede und jeder Einzelne hat einen Anspruch darauf, dass die sehr oft alleine von Ihnen selbst aus verbeitragten Einkommen angesparte Betriebsrente mehr abwirft als das Sparbuch.

Aber: Dieser Freibetrag wird das grundsätzliche Problem der Doppelverbeitragung nicht lösen.

Darauf hatte der von uns eingeladene Professor Bieback in der öffentlichen Sachverständigenanhörung vom Montag, dem 9. 12. 2019, hingewiesen.

Seine Stellungnahme finden Sie hier. Die komplette Anhörung als Video und sämtliche Stellungnahmen der Verbände und das Wortprotokoll finden Sie hier.

Wir müssen in Zukunft eine Debatte darüber führen, ob man Direktversicherungen und viele andere schlechte Formen der betrieblichen Altersvorsorge oft ohne jegliche Zuzahlung von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern überhaupt als Betriebsrenten behandeln und vor allem fördern darf. Gerichtlich und juristisch ist das alles höchst unbefriedigend entschieden, aber wir als LINKE haben eine klare politische Antwort auf diese Frage:

  • Wir wollen die sozialabgabenfreie Entgeltumwandlung abschaffen (sie wurde ursprünglich ja auch nur befristet eingeführt) und dann die volle Beitragspflicht von echten Betriebsrenten beim Ansparen und ein komplette Beitragsfreiheit bei der Rentenauszahlung einführen.

Aber auch jenseits dieser sehr grundsätzlichen Frage klaffen noch weitere offene Wunden nach der Verabschiedung des Gesetzes, die wir in unserem Antrag als Maßnahmepaket vorgestellt und mit einem Finanzierungsvorschlag unterlegt haben:

  • Auf Direktversicherungen, die vor 2004 abgeschlossen wurden, wird nach unseren Vorstellungen gar kein Beitrag mehr erhoben.
  • Betriebsrentnerinnen und -rentner und Direktversicherte mit Renten oberhalb des Freibetrags sollten grundsätzlich nur den halben Beitragssatz zahlen müssen.
  • Der Freibetrag muss auch für die Pflegeversicherung gelten.

 

Der Sachverständige des Spitzenverband GKV hatte in der Anhörung vorgerechnet, dass dieses Maßnahmepaket wohl 4,8 Milliarden Euro kosten würde.

Durch eine Anhebung der nicht ausreichend finanzierten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für Hartz IV-Beziehende um 3,3 Mrd. Euro ließe sich der durch die vollständige Abschaffung der Doppelverbeitragung zu erwartende Beitragsausfall in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zum größten Teil kompensieren.

Bei der ganzen Frage um die Finanzierung muss man sich auch eines vor Augen halten:

Seit 2004 flossen knapp 73 Milliarden an Beitragsmitteln aus Versorgungsbezügen in die Krankenkassen. Selbst wenn man die von uns geforderten 4,8 Milliarden Euro komplett aus Beitragsmitteln finanzieren wollte, würden das bei einem durchschnittlichen Verdienst von zur Zeit 3242 Euro brutto zusätzliche Krankenkassenbeiträge in Höhe von gut fünf Euro für die Versicherten und deren Arbeitgeber*innen bedeuten. Mit diesen fünf Euro wären dann auch die zukünftigen Betriebsrenten für die heute Versicherten von unverschämten Krankenkassenbeiträgen verschont.

Deshalb schloss ich meine Rede auch mit der Aufforderung: „Herr Minister Spahn, DIE LINKE hat gute Vorschläge gemacht. Legen Sie nun bald den nächsten Gesetzentwurf vor! Ich weiß, Sie schaffen das.“

DIE LINKE hat diesem Gesetz nur schweren Herzen zugestimmt, aber für uns gilt:

Jede Leistungsverbesserung für Rentnerinnen und Rentner ist eine gute Sache und wir können mehr und weiter fordern, aber wir müssen auch unsere Erfolge feiern!

Nun wünsche ich Ihnen Allen von Herzen geruhsame Feiertage und einen guten Rutsch in ein hoffentlich friedlicheres Jahr 2020.

In diesem Sinne und  mit freundlichen Grüßen,

 

Ihr Matthias W. Birkwald

LINKS:

Die abschließende Debatte im Bundestag mit allen Reden als Video und die vorliegenden Gesetze und Anträge sind hier dokumentiert.

Beim ZDF findet man diesen kurzen Beitrag mit einem Statement von mir.