Für die Debatte um die Zukunft der gesetzlichen Rente hat DIE LINKE im Bundestag eine Studie beim Wissenschaftlichen Dienst in Auftrag gegeben.
In einem Artikel der Neuen Osnabrücker Zeitung kommentieren der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch und Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE die Ergebnisse.
Den Artikel finden Sie hier:
https://www.presseportal.de/pm/58964/4696182
In einer ausführlichen Stellungnahme schreibt Matthias W. Birkwald zur Studie:
"Wer die gesetzliche Rente in Deutschland armutsfest und lebensstandardsichernd umbauen will, kommt an Österreich als rentnerfreundlichem Vorbild nicht vorbei.
Die Studie des Wissenschaftlichen Dienstes zeigt dies eindeutig. Sie nennt auch die Ursachen für diese sehr deutliche Überlegenheit:
Erstens wurden in Österreich Selbständige, Beamtinnen und Beamte und Politikerinnen und Politiker frühzeitig in die Pensionsversicherung einbezogen (S. 5f.) und zweitens wurde der größte rentenpolitischen Sündenfall der 2000er Jahre in Deutschland von Anfang an vermieden: Das Versprechen nämlich, dass die gesetzliche Rente den Lebensstandard im Alter sichert und gleichzeitig vor Armut schützt, wurde in Deutschland abgeschafft. Stattdessen wurden die leistungsschwache Riesterrente und die rentenkassenschädliche Entgeltumwandlung eingeführt. Beides Flops. Österreich ist diesen falschen Weg einer teilprivatisierten Alterssicherung nie gegangen. ("Negative Erfahrungen mit kapitalgedeckter Altersvorsorge seit 2001 haben die öffentliche Meinung zudem nachhaltig ablehnend beeinflusst. So nimmt die Zahl der Abschlüsse und der Einzahlungen in die mit Steuermitteln bezuschusste prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge seit Jahren ab." (Wissenschaftlicher Dienst 2020, S. 5.))
Diese Grundsatzentscheidung und der in Österreich seit mehr als 30 Jahren höhere Beitragssatz von 22,8 Prozent, bei dem die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen 12,55 Prozent tragen (Beschäftigte: nur 10,25 Prozent!), führen zu durchschnittlich monatlich ausgezahlten Altersrenten, die bei den Männern um unglaubliche 810 Euro und bei den Frauen immerhin um 488 Euro höher liegen!*
Auch die Regelsatzdebatte zur „Grundsicherung“ in Deutschland erscheint vor dem Hintergrund der österreichischen Ausgleichszulage (Mindestrente) mehr als peinlich. Sie garantiert in Österreich Alleinstehenden nach nur fünfzehn Jahren Beitragszahlung eine Mindestrente in Höhe von 966,65 Euro. Umgerechnet auf den Monat sind das 1127 Euro, da auch die Ausgleichszulage 14 Mal ausgezahlt wird! Die Ausgleichszulage genannte Mindestrente beträgt bei Alleinstehenden nach 30 Beitragsjahren sogar 1299,18 Euro (1113,59 Euro x 14:12) und nach 40 Beitragsjahren sehr beachtliche 1573,36 Euro (1348,59 Euro x 14:12). Davon gehen nur noch 5,1 Prozent für die Krankenversicherung ab, denn die Mindestrenten sind - wie alle Sozialleistungen - in Österreich steuerfrei. In Deutschland erhalten arme Ältere gerade einmal 827 Euro zuzüglich Krankenversicherung an „Grundsicherung im Alter“ und dies auch nur, wenn sie nahezu kein Vermögen haben. (Korrektur des WD bzw. der zitierten Angaben der DRV mit Daten des Stabu: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Sozialhilfe/Tabellen/list-grundsicherung-durschnittliche-bedarf.html?nn=211432).
Fazit:
Die Bruttoersatzrate** der Rente lag in Österreich im Jahre 2019 bei 76,5 Prozent und in Deutschland nur bei 38,7 Prozent!
Dass Österreich trotz dieses außerordentlich hohen Sozialschutzes wirtschaftlich erfolgreicher als Deutschland ist (reales BIP pro Kopf 2019: Österreich: 38.250 Euro / Deutschland: nur 35.840 Euro, Quelle: Eurostat***), zeigt:
Eine deutlich bessere gesetzliche Rente in Deutschland ist möglich und sie ist finanzierbar!
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* Man muss für einen Zahlbetragsvergleich die 14 Mal pro Jahr ausgezahlten Altersrenten (S. 10) in Österreich mit 14 multiplizieren und dann durch 12 dividieren.
Altersrenten | Ö | Ö*14/12 | D | Differenz |
Männer | 1678 | 1958 | 1148 | 810 |
Frauen | 1028 | 1199 | 711 | 488 |
** Bruttoersatzrate berechnet auf Vollzeiterwerbsarbeit und Durchschnittslohn ab 22 Jahren bis zur jeweiligen Regelaltersgrenze. Quelle: OECD Pensions at a Glance 2019, Tabelle 5.1.
*** Reales BIP pro Kopf [SDG_08_10]: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/bookmark/0756a248-8f33-4c2a-b813-66d73f1b75bd?lang=de
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