Seit Wochen und Monaten wird der Alltag in Deutschland weitgehend von Corona bestimmt. Andere Themen scheinen da hinten runterzufallen. Den Eindruck hat jedenfalls MDR-AKTUELL-User Armin Donath. Er fragt sich, was eigentlich aus der lange geplanten und angekündigten Grundrente geworden ist. Von der sollen ja die profitieren, die lange gearbeitet aber unterdurchschnittlich verdient haben. Das betrifft viele Frauen und Ostdeutsche. Wie weit ist man mit der Auszahlung?
Für einen Bericht von MDR-Aktuell formulierte ich noch einmal meine Kritik an der sogenannten "Grundrente".
Den vollständigen Bericht finden Sie hier: Wie ist der aktuelle Stand bei der Grundrente? | MDR.DE
Mein Interview können Sie in Gänze hier nachlesen:
Was kritisieren Sie ganz grundsätzlich an der Grundrente von Union und SPD?
Ich kritisiere vor allem, dass die Union 2019 ein Jahr lang gekürzt und blockiert hat und 2020 dann aus einem ursprünglich guten Gesetzentwurf von Minister Heil ein schlechtes Gesetz, ja sogar ein Bürokratiemonster gemacht hat.
Als erstes ist der Name „Grundrente“ grottenfalsch. Es handelt sich in keiner Weise um eine Grundrente. Eine Grundrente gibt es beispielsweise in Dänemark oder den Niederlanden. In den Niederlanden reicht es, 50 Jahre dort zu leben, um als Single eine echte Grundrente von derzeit 1281,19 Euro zu erhalten. Dafür muss man keinen einzigen Tag erwerbstätig gewesen sein. DAS ist eine Grundrente.
Dann hat die Union die Hürden zu hoch geschraubt: 33 Beitragsjahre sind als Einstiegshürde zu hoch. DIE LINKE fordert, dass 25 Jahre (DGB und VdK: 30 Jahre) als Zugangsvoraussetzung reichen mögen, so, wie es die CDU/CSU bei der „Rente nach Mindesteinkommen“ im Jahre 1972 gefordert und damals gegen die sozialliberalen Koalition durchgesetzt hat!
Im Ergebnis haben CDU und CSU die Anforderungen für die sogenannte "Grundrente" so hoch geschraubt, dass nicht mehr 3 Millionen Menschen, sondern nur noch etwa 1,3 Millionen Menschen überhaupt etwas bekommen werden. Bei einer Leistung von durchschnittlich nicht einmal 80 Euro ist eine Einkommensprüfung völlig überflüssig. Für Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, ist diese gar entwürdigend.
Ohne die rentnerfeindlichen Eingriffe der Union hätte es Minister Heil zumindest geschafft, dass 35 Jahre Arbeit in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns gemeinsam mit dem Grundrentenzuschlag eine Rente knapp oberhalb der Grundsicherung im Alter garantiert hätten. Damit ist es jetzt vorbei, denn das zentrale Ziel des Gesetzes wird nicht mehr erreicht. Durch die von der Union durchgesetzte Kürzung des Zuschlags um 12,5 Prozent werden viele Menschen weiter in der bedürftigkeitsgeprüften »Grundsicherung im Alter« verbleiben müssen.
Inwiefern fehlt es der Grundrente von Hubertus Heil an Treffgenauigkeit?
Ich kritisiere bezüglich der Treffgenauigkeit, dass Arbeitslosigkeit, Zeiten des Mutterschutzes und vor allem die Zurechnungszeiten bei der Erwerbsminderungsrente nicht zu den 33 Jahren zählen. Dann würden auch die Erwerbsminderungsrentner*innen davon profitieren. Dies fordern der DGB, der Paritätische, der SoVD, der VdK und andere ebenfalls
Und ich kritisiere, dass erst ein Monatslohn von 1040 Euro (0,3 EP) als Niedriglohn zählt. Wir hatten gefordert, dass der Zuschlag schon ab knapp 700 Euro (0,204 EP) greift.
Oder die pauschale Kürzung des Zuschlags um 12,5 %. Die trifft überproportional die mit niedrigen Renten, die einen höheren Zuschlag verdient haben.
Und zu Letzt: Die Freibeträge für das Wohngeld und für gesetzliche Renten in der „Grundsicherung im Alter“ dürfen nicht an 33 Beitragsjahre gekoppelt werden. Wir LINKEN fordern, dass letzterer für alle gesetzlichen Renten gelten muss und insofern mit den Freibeträgen für Riester- und Betriebsrenten gleichgestellt wird. Diese Forderung wird ebenfalls vom DGB, von vielen Sozialverbänden und anderen Expert*innen erhoben.
Können Sie auch etwas Gutes daran finden?
Ja ich freue mich für jede und jeden, der durchschnittlich 75 Euro mehr Rente bekommt, wenn er vorher 33, 35 oder mehr Jahre zu Niedriglöhnen geschuftet hat. Deshalb ist es gut, dass das Instrument eines Rentenzuschlags für Niedriglöhne wieder gibt. Es war ja seit den 70iger Jahren völlig normal und galt für Zeiten bis 1991 und zwar ohne Einkommensprüfung und ohne Kürzung. Wir LINKE fordern deshalb seit Jahren, dass diese alte "Rente nach Mindestentgeltpunkten" modifiziert und verlängert werden soll. Jetzt steht der Zuschlag wieder im Gesetz und kann so leichter reformiert werden.
Was schlagen Sie vor?
Nach der Wahl wird die Rentenversicherung den riesigen Kraftakt bewältigt haben und 2022 alle 26 Mio. Rentenkonten geprüft und die völlig überzogene Einkommensprüfung beendet haben. Dann wird man sehen, wer profitiert, wer nicht und wie hoch der Aufwand und die Leistungen sein werden. Das muss dann schonungslos im Interesse der Rentnerinnen und Rentner bilanziert werden. Und dann wird eine starke LINKE im Bundestag dafür sorgen, dass aus einer schlechten sogenannten „Grundrente“ ein gutes Instrument im Kampf gegen niedrige Löhne und Altersarmut werden wird.
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