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Matthias W. Birkwald

Grüne Garantierente ist garantiert ein Rohrkrepierer!

Rede von Matthias W. Birkwald im Plenum des Deutschen Bundestages

22.04.2021
Redebeitrag von Matthias W. Birkwald (Die Linke) am 16.04.2021 um 13:33 Uhr (222. Sitzung, TOP 33)

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Hochverehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister!

Am 26. September sind Bundestagswahlen. Nach der Entscheidung in Baden-Württemberg wissen wir: Bündnis 90/Die Grünen würde mit der Union regieren. Der Entwurf des grünen Bundestagswahlprogrammes zeigt das deutlich.

Dort heißt es zur Rente erstens: Die Grünen wollen die Absenkung des Rentenniveaus auf 53 Prozent aus dem Jahr 2000 auf heute gut 48 Prozent für die Zukunft festschreiben. - Diese Rentenkürzung um fast 10 Prozent hatten Sie zu Beginn des Jahrtausends mit der SPD durchgesetzt - ein schlechter Vorschlag.

(Beifall bei der LINKEN)

IG Metall, Verdi, fast alle Sozialverbände und wir Linken fordern: Die Menschen mit mittleren Renten brauchen mehr. Wir wollen das Rentenniveau schrittweise wieder auf 53 Prozent anheben; das hieße 10 Prozent mehr Rente.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Die Grünen halten an der Rente erst ab 67 fest. Wer künftig ab 65 Jahren statt ab 67 in Rente gehen muss, weil es gesundheitlich nicht mehr länger geht oder 35 Jahre Maloche genug sind, wird mit dem Segen der Grünen die Rente noch mal um 7,2 Prozent gekürzt bekommen - ein schlechter Vorschlag.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Gewerkschaften, die Sozialverbände und wir Linken fordern: Arbeiten bis 65 reicht grundsätzlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Die Grünen wollen die kapitalgedeckte Vorsorge in Form eines Bürgerfonds wiederaufleben lassen, der - ich zitiere -: „die Risiken breit streut und auf teure Garantien verzichten kann“. Das wird CDU/CSU freuen. Arbeiten bis zum Umfallen mit niedriger Rente, und dann organisieren die Grünen - Zitat - „Kleinsparer*innen“ noch das Verbrennen ihres Festgeldkontos auf dem Aktienmarkt. Nein, das ist keine Rentenpolitik für die Mehrheit der hart arbeitenden Menschen, sondern ein Koalitionsangebot an die Rentenkürzer/-innen der Union, und das ist schlecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, lieber Markus Kurth, liebe Grüne, euer Antrag „Gesetzliche Rentenversicherung stärken, verlässliche Alterssicherung für alle sicherstellen“ liest sich zum Glück anders als der grüne Wahlprogrammentwurf. Darum bin ich gespannt auf eure Änderungsanträge zu eurem Wahlprogramm; denn in eurem Antrag gibt es neben viel Schatten durchaus viel Licht.

Im Einzelnen. Ihr fordert in einem ersten Schritt, Selbstständige, Minijobber/-innen, Hartz-IV-Betroffene und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen und perspektivisch auch die Freiberuflichen und die Beamtinnen und Beamten. Das finden wir Linken sehr gut, aber das werdet Ihr nie und nimmer mit der Union hinbekommen, und das ist schlecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist noch nicht alles. Die Linksfraktion kämpft seit Langem für eine Erwerbstätigenversicherung. Das heißt, alle Menschen mit Erwerbseinkommen mögen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und erhielten dann später entsprechende Renten. Das wollen alle Gewerkschaften, alle Sozialverbände, die SPD und wir Linken. Aber, meine Damen und Herren, die Grünen fordern die Verbeitragung aller Einkommensarten, also auch der Zinseinkünfte der Millionärinnen und Millionäre, der Mieteinnahmen usw. Sie nennen das Bürgerversicherung. Die ist gut in der Kranken- und Pflegeversicherung, aber sozial ungerecht in der Rentenversicherung; denn Vermieter/-innen und Aktienbesitzer/-innen erhielten dann im Alter zum Teil unglaublich hohe gesetzliche Renten, und das, obwohl sie im Gegensatz zu den Arbeitsplätzen normaler Arbeitnehmer/-innen im Alter weiterhin ihre Aktienpakete und vermieteten Wohnungen hätten.

Manche hätten bei eurer Bürgerversicherung, lieber Markus Kurth, im Alter fast 10 000 Euro Alterseinkommen und eine Standardrentnerin nach wie vor nur 1 540 Euro. Dabei bräuchten wir dringend Geld für deutlich höhere Erwerbsminderungsrenten und für 53 Prozent Rentenniveau, also für eine außerordentliche Rentenerhöhung um 10 Prozent.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sage ich klar und deutlich: Alle Erwerbseinkommen und vor allem die sehr hohen Erwerbseinkommen müssen zur Finanzierung einer guten gesetzlichen Rente verbeitragt werden, und das sofort.

Konkret: Um die gesetzliche Rentenversicherung zu stärken will Die Linke die heutige Beitragsbemessungsgrenze schrittweise verdoppeln und perspektivisch abschaffen. Aus den sehr hohen Beiträgen ergäben sich künftig dann auch sehr hohe Renten. Dann brächte es der solidarischen Sozialversicherung nichts, und darum müssen künftige sehr hohe Renten im verfassungsgemäß höchsten zulässigen Maße abgeflacht werden. Sonst hätten wir gesetzliche Renten von 6 000, 7 000 Euro und mehr, und die müssten Krankenpfleger, Fliesenleger/-innen, Erzieherinnen und Verkäufer erarbeiten. Das lehnen wir Linken ab, und darum fordern wir eine Beitragsäquivalenzgrenze.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wie sieht es mit der grünen Bekämpfung der Altersarmut aus? Nun, wer zu krank zum Arbeiten ist, erhält oft eine Erwerbsminderungsrente. Fast allen Betroffenen wird die gekürzt; „Abschläge“ heißt das auf Vornehm. Diese Abschläge der Erwerbsminderungsrenten kranker Menschen abzuschaffen oder wertgleich auszugleichen, fordern auch wir Linken. Darum, liebe Grüne, volle Unterstützung dafür von unserer Seite; denn das ist bitter nötig, weil die Große Koalition hier komplett versagt hat.

Im Übrigen: Für niedrige Löhne und Gehälter einen Rentenzuschlag einzuführen, den allein die Arbeitgeber/-innen zahlen mögen, ist eine hervorragende Idee. Großes Lob!

(Beifall bei der LINKEN.)

Nur: Im Wahlprogramm für die schwarz-grüne Koalition steht dazu leider nichts. Schade eigentlich!

Warum ist das so wichtig? Wer zu niedrigen Löhnen 45 Jahre arbeiten muss, erhält in heutigen Werten eine Rente von knapp über 1 040 Euro netto. Genau darum kann man die grüne Garantierente für alle Menschen vergessen, die keine selbstfinanzierte sogenannte betriebliche Altersvorsorge übrig haben, weil das Geld fehlt. Denn bei der grünen Garantierente kämen nach 30 Jahren Arbeit gerade mal 910 Euro zusammen, also 75 Euro mehr als bei der Grundsicherung. Die Armutsgrenze der EU liegt bei 1 176 Euro.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Im Kampf gegen die Altersarmut ist die grüne Garantierente also garantiert ein Rohrkrepierer, leider. Deshalb - Herr Präsident, letzter Satz - fordert die Linksfraktion, eine einkommens- und vermögensgeprüfte solidarische Mindestrente als Zuschlag einzuführen - ähnlich wie in Österreich -, damit niemand im Alter von weniger als 1 200 Euro leben muss.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Alexander Graf Lambsdorff (FDP): Im linken Himmel ist immer Jahrmarkt!)