Am 29. Juni veröffentlichte der mdr den Beitrag „Gleiche Rente in Ost und West? Wirklich?“, in dem auch ich zitiert werde. Nachfolgend sind die ursprünglichen Fragen des Senders und meine Originalantworten nachzulesen.
1. Wie beurteilen Sie bzw. Ihre Partei den Prozess der Rentenüberleitung und - anpassung rückblickend und zwar hinsichtlich der Länge als auch der zu meisternden Probleme? Was lief aus Ihrer Sicht gut, was weniger?
Beeindruckend war vor allem, wie reibungslos mit dem Umlageverfahren Millionen Ostdeutsche in die gesetzliche Rente integriert werden konnten. Als Beitragszahler und Beitragszahlerinnen, aber auch die Rentnerinnen und Rentner. Da wurde von den Angestellten der Rentenversicherung wirklich Enormes geleistet.
Aber rückblickend waren und sind im Prozess der Rentenüberleitung zu viele Betroffenengruppen - darunter geschiedene Frauen, Bergleute der Braunkohleveredlung, Reichsbahnangestellte, Beschäftigte im DDR-Gesundheitswesen oder der Volkspolizei - von willkürlichen Kürzungen und Demütigungen bei der Rente betroffen. DIE LINKE hat das als einzige Fraktion und über Jahrzehnte immer und immer wieder ins Parlament getragen und wir wurden oft dafür beschimpft. Mit dem Härtefallfonds wird dieses Unrecht jetzt zwar symbolisch anerkannt, aber auf leider auf gar keinen Fall behoben. Mit den viel zu hohen Hürden und der viel zu niedrigen Entschädigung hat man eine große Chance vertan, die Wunden zu heilen.
Bei der Rentenanpassung ist es etwas anders. Hätte man von Anfang an die Rentenwerte schneller angepasst und würde die Umrechnung zumindest noch bis 2030 aufrechterhalten, dann wäre die Angleichung der Renten viel schneller gegangen. Die Ostdeutschen – und hier vor allem die Frauen – hatten und haben eine hohe Erwerbsbeteiligung und viele Beitragsjahre auf ihren Rentenkonten. Hier sind die hohe Arbeitslosigkeit der Nachwendezeit und die niedrigen Löhne im Osten das Problem. SPD und CDU/CSU haben hier jahrzehntelang zugeschaut und auf ein Wirtschaftswunder gehofft, statt mit einer klugen Industrie- und Strukturpolitik gegenzusteuern. Und man hätte viel früher - DIE LINKE fordert das seit 20 Jahren - mit einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von aktuell notwendigen 14 Euro dagegenhalten können und man könnte auch mit einer echten „Grundrente“ dagegenhalten. Die erhalten nach den neuesten Zahlen der DRV [i] 7,1 Prozent der Altersrenten im Osten obendrauf und im Westen nur 4,6 Prozent. Warum? Weil im Osten eben länger gearbeitet wurde und mehr Menschen die 33/35 Jahre Wartezeit erfüllen. Wenn man die großzügiger ausgestalten würde, könnte man die niedrigen Löhne im Osten bei der Rente viel besser ausgleichen. Auch das fordern wir LINKEN seit langen Jahren!
2. Wie beurteilen Sie die Lage ostdeutscher Rentner, nicht nur in Bezug auf die Rente, sondern in Bezug auf die Alterseinkommen insgesamt im Vergleich zu Senioren aus den Altbundesländern?
Dazu ließe sich viel sagen, aber sehen wir uns die Zahlen an: 4,2 Millionen Rentnerinnen und Rentner im Osten erhalten eine durchschnittliche Rente in Höhe von 1.294 Euro. Im Westen sind es durchschnittlich 1.039 Euro also 255 Euro weniger [ii]. Das liegt vor allem an den im Vergleich – das will ich immer betonen – sehr guten Renten der Frauen im Osten. Da gab es einfach viel mehr Vollzeit und durchgängigere Rentenbiographien als bei den Frauen im Westen. Die Lebensleistung der Frauen im Osten müsste man wirklich mal gesondert herausstellen.
Es sieht aber schon deutlich schlechter aus, wenn man mal ähnliche Rentnerinnen- und Rentnergruppen miteinander vergleicht. Schaut man sich die Altersrenten derjenigen an, die 35 und mehr Jahre gearbeitet haben, dann dreht sich das Verhältnis nämlich um. Die durchschnittliche Altersrente in Thüringen lag bei 1.346 Euro brutto und in NRW 1.564 Euro. Über 200 Euro mehr bei ähnlichen Beitragsjahren! Da ist die Analyse ganz klar: Daran sind die Löhne Schuld [iii].
Und noch schlechter sieht es eben aus, wenn man die gesamten Alterseinkommen in den Blick nimmt. Nehmen wir bei den Rentnerhaushalten mal die Ehepaare. Deren Haushaltseinkommen lag 2020 im Osten bei 2554 Euro netto und im Westen bei 2910 Euro. Da fehlen die Betriebsrenten, da fehlen Mieteinnahmen und da fehlen auch Lebensversicherungen, Aktien, Wertpapiere, Riester usw. Und das zeigt, wie weit wir noch von gleichen Lebensverhältnissen in Ost und West entfernt sind.
3. Gibt es in Bezug auf die Rentenüberleitung nach wie vor bestehende Probleme und wenn ja, welche?
Wie gesagt, angesichts der vorgesehenen Kriterien werden vom Härtefallfonds nur 50.000 bis 70.000 ostdeutsche Rentnerinnen und Rentner Gelder erhalten können. Damit würden rund 90 Prozent der Betroffenen, die seit über 30 Jahren für die Anerkennung ihrer Rentenansprüche kämpfen, leer ausgehen. Es geht um 17 Berufs- und Personengruppen, z.B. Beschäftigte bei der Deutschen Reichsbahn, der Deutschen Post, des Gesundheits- und Sozialwesens, in der Braunkohleveredelung, um Balletttänzerinnen und Balletttänzer, um Personen, die Familienangehörige gepflegt haben, und um die in der DDR geschiedenen Frauen. Wir fordern statt des Härtefallfonds einen Gerechtigkeitsfonds, der alle berechtigten Anwartschaften und Ansprüche der betroffenen 17 Personen- und Berufsgruppen einbeziehen möge und der eine einmalige Entschädigungszahlung in Höhe eines fünfstelligen Betrages vorsieht.
[i] https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Presse/reden/bundesvertreterversammlung/2023-06-22-luebeck/folien-piel.pdf?__blob=publicationFile&v=3
[ii] Rentenversicherungsbericht 2022, Übersicht 5, S. 90ff
[iii] https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Statistiken-und-Berichte/Rentenatlas/2022/rentenatlas_2022_altersrente_nach_bundeslaendern.html DRV Rentenatlas 2022, S. 12
Aktueller denn je: Ausführliches Interview im „Versicherungsboten“ zu allen wichtigen Fragen rund um die gesetzliche und die private Rente
Bundestagsrede in der Orientierungsdebatte am 26. Januar 2022