Im August hatte ich gegenüber dem Kölner Brauerei-Verband zugesagt, mich gegen die Rückkehr zur Mehrwertsteuer von 19 Prozent in der Gastronomie einzusetzen. Die gastronomische Vielfalt muss unbedingt erhalten werden und auswärts Essen und Trinken sollten für die breite Masse erschwinglich sein.
Die Realität war zuletzt leider eine Andere: Energie und Lebensmittel waren in den vergangenen Jahren die stärksten Preistreiber. Besonders die Kaufkraft geringer und mittlerer Einkommen hat darunter massiv gelitten, die Armut zugenommen. Um den Kaufkraftverlust abzufedern, wurden die Umsatzsteuersätze bei Gas und Fernwärme sowie bei Verpflegungen in der Gastronomie temporär auf sieben Prozent gesenkt. Für die Gastronomie-Branche war die Senkung ursprünglich zudem eine Konjunkturstütze während der Pandemie. Bis heute hat sich die Branche allerdings nicht wieder auf das Vorkrisenniveau von 2019 erholt.
Ursprünglich sollte bis Ende März 2024 der niedrigere Mehrwertsteuersatz von sieben statt 19 Prozent gelten. Wegen gesunkener Gaspreise will Bundesfinanzminister Christian Lindner diese Entlastung bereits zum Jahreswechsel stoppen. Die Linksfraktion setzte das Thema kurzfristig in dieser Woche auf die Tagesordnung des Bundestages und fordert von der Bundesregierung einen Gesetzentwurf, der den auf sieben Prozent gesenkten Umsatzsteuersatz auf Lieferungen von Gas und Fernwärme sowie auf Speisen in der Gastronomie verlängern und entfristen möge. (Hier klicken, um den Antrag zu lesen).
Diesen Antrag und den hier als Video verlinkten und nachfolgend nachzulesenden Redebeitrag meines sehr geschätzten Fraktionskollegen Christian Görke MdB, des finanzpolitischen Sprechers der Linksfraktion, unterstütze ich mit Nachdruck.
Redetext von Christian Görke aus dem Plenum des Deutschen Bundestags
aus 122. Sitzung am Donnerstag, den 21. September 2023, laut Stenografischem Bericht, Plenarprotokoll 20/122, S. 15078
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wo leben Sie eigentlich, meine Damen und Herren von der Ampel?
(Zuruf von der FDP: Hier!)
Seit Monaten steigen die Preise für Lebensmittel, alles wird teurer, und viele Normalverdienerinnen und Normalverdiener und Rentnerinnen und Rentner fragen sich jetzt schon, wie sie über den Winter kommen. Und gleichzeitig planen Sie milliardenschwere Steuererhöhungen bei Gas und Fernwärme; 27 Millionen Haushalte werden davon betroffen sein. Ich frage Sie: Wie irre ist das denn, meine Damen und Herren?
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Herbrand, wie war das denn eigentlich in Ihrem Koalitionsvertrag? Hatten Sie nicht Steuererhöhungen ausgeschlossen? Noch vor zwei Wochen hat Ihr Fraktionsvorsitzender hier in der Haushaltsberatung gesagt: „Wir ... verzichten auf Steuererhöhungen.“ Von wegen! Sie planen mit dem Entwurf des Bundeshaushalts ab 1. Januar 2024 eine massive Steuererhöhung, indem Sie den kleinen und mittleren Einkommen über eine Umsatzsteuererhöhung ungeniert in den Geldbeutel greifen,
(Maximilian Mordhorst [FDP]: Hat das der Höfgen aufgeschrieben?)
und gleichzeitig spendieren Sie den Unternehmen über das Wachstumschancengesetz über 7 Milliarden Euro Steuersenkungen.
(Maximilian Mordhorst [FDP]: Sehr gut!)
Meine Damen und Herren, das lassen wir Ihnen hier nicht durchgehen, und deshalb heute unser Antrag.
(Beifall bei der LINKEN)
Ja, meine Damen und Herren, Gas ist zwar an der Börse wieder günstiger als 2021; aber Verbraucher zahlen nach wie vor doppelt so viel wie vor der Krise, weil sie natürlich auch in 2022 teilweise Verträge zu hohen Preisen abschließen mussten. Ursprünglich sollte ja die Steuer auf Gas und Fernwärme wenigstens bis April 2024 gesenkt bleiben. Das war eine richtige Idee, und die haben wir auch unterstützt. Nun kommt der Bundesfinanzminister mit der heiligen Kuh der Schuldenbremse um die Ecke, und Ihnen fällt nichts Besseres ein, als die Löcher durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme von 7 auf 19 Prozent, also plus 12 Prozent, zu stopfen.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Dass ihr nicht mit Geld umgehen könnt, ist klar!)
Meine Damen und Herren, für eine vierköpfige Familie bei mir in der Lausitz, in Cottbus, bedeutet das eine Mehrbelastung von rund 290 Euro im Jahr.
Apropos Inflationstreiber: In der Gastro langen Sie genauso zu, obwohl die Branche seit drei Jahren in der Dauerkrise ist: erst Pandemie, dann die Energiepreiskrise. Deshalb wurde 2020 – das haben wir auch unterstützt – die Mehrwertsteuer auf Speisen von 19 auf 7 Prozent gesenkt, und das wurde auch immer wieder verlängert.
„Das schaffen wir nie wieder ab“, war das Zitat des jetzigen Bundeskanzlers 2021 in der „Wahlkampfarena“ der ARD.
(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Kann sich nicht mehr erinnern!)
Können Sie sich noch erinnern, meine Damen und Herren, oder schlägt jetzt bei den Sozialdemokraten auch in der gesamten Fraktion die Gedächtnislücke zu?
(Beifall bei der LINKEN – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Ist das ansteckend?)
Meine Damen und Herren, wenn dieser Preisschock kommt, wird nicht nur die Schulspeisung teurer, sondern die Gastronomie wird auch wieder Kunden verlieren, zumal im ersten Halbjahr 2023 der Umsatz inflationsbereinigt immer noch 10 Prozent unter dem Vorkrisenniveau von 2019 lag. Als Serviceopposition sagen wir natürlich auch, wie wir das gegenfinanzieren wollen.
(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Aber nicht im Antrag!)
Insofern: Wie wäre es denn endlich mal mit einer Umsatzsteuer auf Börsenprodukte?
(Beifall bei der LINKEN)
Wie wäre es denn mal mit einer richtigen Übergewinnsteuer und nicht so einem halbgaren Ding wie dem, das jetzt ausgelaufen ist, meine Damen und Herren von den Grünen? Oder der Erhöhung der Reichensteuer für Einkommensmillionäre, die mittlerweile ja selbst die CDU fordert?
(Kay Gottschalk [AfD]: Och! – Stefan Schmidt
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist mir neu!)
Damit sind Sie als FDP und Ihr Finanzminister ja jetzt allein im Haus.
(Maximilian Mordhorst [FDP]: Fragen Sie mal Frau Wagenknecht!)
– Herr Mordhorst, ich verstehe ja Ihre Unruhe.
Zum Schluss noch ein Fall von Gedächtnislücke; dies ist jetzt wahrscheinlich auch im Bundeskabinett ansteckend. Ich erinnere noch an das Lindner’sche Plakat, Herr Mordhorst: „Steuererhöhungen sind Sabotage am Aufschwung.“
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Ja!
Fanden Sie gut, ne? – Markus Herbrand [FDP]:
Genau! – Maximilian Mordhorst [FDP]: Absolut richtig!)
Sie selbst machen jetzt Steuererhöhungen, und das sogar mitten im Abschwung. Meine Damen und Herren, das geht doch überhaupt nicht zusammen!
(Beifall bei der LINKEN – Till Mansmann
[FDP]: Was haben Sie da vorgeschlagen? –
Maximilian Mordhorst [FDP]: Es gibt ja auch keine Steuererhöhungen!)
Deshalb: Stoppen Sie Ihre Pläne! Es kommt soziale Kälte, wenn sich das durchsetzt. Und beenden Sie endlich diesen volkswirtschaftlichen Unfug!
Vielen Dank.
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