Am 15. Juni 2024 verloren wir einen wichtigen Freund, Mitarbeiter, Kollegen, Genossen, langjährigen politischen Weggefährten und unermüdlichen Mitstreiter für soziale Gerechtigkeit und eine Welt, in der es auch Respekt und stets einen Platz für die Schwächeren geben möge.
Wolfgang Lindweiler war ein Urgestein der PDS und der LINKEN in Köln und in Nordrhein-Westfalen. Altgedienten Mitgliedern der LINKEN war er weit über den tiefsten Westen hinaus ein Begriff.
Wolfgang war kein Mann der großen Auftritte, sondern der aufopferungsvollen Kärrnerarbeit. Wenn ihm das Argument dringend erschien, ergriff er das Wort – gerne auch länger –, und jedes seiner Worte hatte Gewicht. Doch meist fand man ihn eher hinter und neben, nur bisweilen auch auf der Bühne. Wolfgang zeichnete sich durch die seltene Verbindung eines hellwachen Geistes, messerscharfen Verstandes und zugleich durch das Fehlen wirklich jeglicher Eitelkeit aus. In ihm trafen sich die durch unzählige Lektüren, Debatten und Lebenserfahrung geschulte Klugheit mit einem bemerkenswerten politischen Antrieb. Langjährige und ehemalige Kölnerinnen und Kölner wissen zahlreiche Anekdoten von und über Wolfgang als AStA-Vorsitzendem, Konzertorganisator und Kommunalpolitiker zu erzählen.
In seiner Jugend in antiimperialistischen und antifaschistischen Gruppen aktiv, fand Wolfgang nach der Wende im Frühjahr 1994 eine parteipolitische Heimat in der PDS, wenige Monate nach Jörg und Ulrike Detjen und Matthias W. Birkwald, dessen MdB-Wahlkreisbüro in der Kölner Südstadt er seit elf Jahren hauptberuflich leitete. Zuverlässig und fleißig arbeitete er als Mandatsträger der LINKEN in der Bezirksvertretung sowie im Mittwochskreis der Linksfraktion im Kölner Stadtrat ehrenamtlich mit.
In Zeiten, in denen es in der PDS – und mehr noch in der LINKEN – zwischen verschiedenen Traditionen und innerparteilichen Strömungen hoch her ging, wirkte Wolfgang immer wieder als Stimme der Vernunft. Nicht selten verdankten sich seiner Initiative und seinen Formulierungen gute Kompromisse und tragbare Vorschläge, mit denen die gesamte Breite der Partei gut leben und arbeiten konnte. Hierzu trug seine ausgeprägte gewerkschaftliche und soziale Orientierung bei, die er jahrzehntelang verfolgte, zeitweise auch als einer der Landessprecher der Sozialistischen Linken, bis sein Gesundheitszustand schließlich seinen leidenschaftlichen Einsatz auf Kreis- und Landesebene der Partei und seiner Strömung leider nicht mehr zuließ.
Wolfgang Lindweiler – von manchen liebevoll „Lindi“ genannt – verfügte über ein äußerst beachtliches intellektuelles und politisches Fundament, das ihn immun gegenüber allen fragwürdigen Zeitgeisterscheinungen und aufgeheizten Stimmungslagen, die DIE LINKE heimsuchten und heimsuchen, machte.
Seine bleibende und beneidenswerte Stärke waren die Differenzierung und das stete Bemühen, innerparteilich einen solidarischen Umgang miteinander zu pflegen.
So eigentümlich und eigenbrötlerisch Wolfgang manchmal auch gewirkt haben mag, so grundsätzlich blieb er Polemiken und populistischen Auseinandersetzungen fern, wie sie heute in der Politik immer öfter Überhand nehmen. Nicht von ungefähr war Wolfgang Anlaufstelle für Rat und Tat, wenn jemand Unterstützung für eine kluge Positionierung oder Formulierung benötigte. Ihn scheute diese Arbeit nicht; zugleich zeigte er nie Ambitionen, die Früchte seiner beeindruckend vielen, detaillierten und differenzierten Arbeit in Form öffentlicher Anerkennung ernten zu wollen. Hochtrabende agitatorische Fensterreden und ideologischer Eifer blieben ihm bis zum Ende fremd. Nicht von ungefähr hatten gleich drei aus Köln stammende Abgeordnete der LINKEN Ulla Lötzer, Paul Schäfer und schließlich und am längsten Matthias W. Birkwald ihn als Mitarbeiter und Büroleiter angestellt.
Maßgeblich dank Wolfgang wurde Matthias’ Wahlkreisbüro in der Kölner Südstadt eine Anlaufstelle für die Sozialberatung. Zu sagen, Wolfgang habe gegenüber Menschen, die ihn regelmäßig um Hilfe ersuchten, eine Engelsgeduld und beachtliche Großzügigkeit gezeigt, käme einer riesigen Untertreibung gleich. Seine durchaus übertrieben zu nennende Selbstlosigkeit (nicht nur in diesem Zusammenhang) wies ihn im besten Sinne als einen „Gutmenschen“ aus. Mehr als einmal spendete er bedürftigen Einzelpersonen viel Zeit und viel Geld.
Außer seiner Lebensaufgabe linker Politik hatte er nur drei Hobbys: schwarzen Kaffee, selbstgedrehte Zigaretten der Marke Drum Zware Shag und sein Herz brannte für den 1. FC Köln, dessen Spiele er gerne im „Chlodwig Eck“ in der Nähe des Wahlkreisbüros, in dem er mehr Zeit als an irgendeinem Ort sonst auf der Welt verbrachte, oder in der Kneipe um die Ecke seiner Wohnung in Köln-Deutz verfolgte - intensiv und dem FC immer alle Daumen drückend, die er hatte.
Sein Weg in die Politik ergab sich aus seinem Charakter, dem Humanität, Bildung, Wissen sowie Solidarität, Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit seit seiner Jugendzeit am Herzen lagen.
Nach dem Abitur hatte er eine Lehre als Offsetdrucker gemacht und anschließend in Köln Philosophie und Geschichte studiert. Ein Examen hatte er nie gemacht, dazu wusste er zu viel. Aber sein Interesse an Philosophie und Geschichte war mindestens lebenslang genauso groß wie das an der Politik.
In den 70er Jahren begann er sein politisches Engagement in der Schülerinitiative gegen Berufsverbote, war in den 80ern AStA-Vorsitzender an der Uni und in der Zeit schrieb er auch für die Kölner Stadtrevue.
Für die Kölner Ratsfraktion der Linken war Wolfgang eine Wahlperiode lang im Wirtschaftsausschuss und anschließend hatte er DIE LINKE im neuen Unterausschuss Regionales vertreten. Wolfgang war Landesparteitagsdelegierter, Landesparteiratsdelegierter der PDS und der Linken und vieles andere mehr.
Auch wenn er sich schwer tat, andere Menschen ausreden zu lassen, so bezeugen die vielen, vielen spontanen Wortmeldungen zahlreicher Genossinnen und Genossen, persönlicher Freundinnen und Freunde und langjähriger Weggefährten, welchen enormen Eindruck Wolfgang bei ihnen und uns allen hinterlassen hat und welche aufrichtige Wertschätzung ihm zuteil wurde und wird.
Er wird uns und vielen weiteren Menschen furchtbar fehlen.
Nach längerer, schwerer Krankheit ist Wolfgang Lindweiler am vergangenen Samstag im Alter von nur 63 Jahren an Lungenkrebs verstorben.
Trauernd und traurig,
Matthias W. Birkwald, Ulla Lötzer, Yeşim Yesil-Bal, Hannelore Hildebrandt, Alban Werner, Stefan Söhngen, Heinrich „Heinz“ Palm, Sönke Voigt, Kathrin Senger-Schäfer und Olga Jablonka
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