Das diskutiert die Bundestagsfraktion DIE LINKE am 22. April in Köln mit Betriebs- und Personalrät_innen. Mit dabei: Sahra Wagenknecht, Ulla Lötzer und Matthias W. Birkwald. Unten erläutert uns der Rentenexperte Birkwald, warum die Niedriglöhne von heute die Armutsrenten von morgen seien werden.
Programm der Betriebs- und Personalrätekonferenz und Anmeldung unter
http://www.linksfraktion.de/termine/gute-loehne-gute-arbeit-gute-rente/.
Betriebs- und Personalrätekonferenz „Gute Arbeit, gute Löhne, gute Rente“ am 22. April 2013 oder Der Oma ihr Motorrad
"Wir versaufen unsrer Oma ihr klein Häuschen und die erste und die zweite Hypothek“"wollte Robert Steidl im Kölner Karneval 1922 von den Gassenwänden widerhallen hören. Damit hat er einst den Jahrhundertschlager komponiert.
Von Kurt Tucholsky wurden wir in seiner Analyse glücklicherweise darüber aufgeklärt, dass "die Hypothek selbst ja eine Schuld ist, die man unmöglich vertrinken kann – meint er doch wahrscheinlich die für die eingetragene Hypothek als Darlehn gegebene Summe, die der Schuldner oder die Schuldnerin in leichtfertiger Weise verbraucht."[1]
Nun ja. Deshalb hat sich wohl auch die Hühnerstallvariante durchgesetzt.
Seither hat Oma viel erlebt und durchgemacht: Schauspielkarriere in Hollywood, Motorradführerschein, Anschaffung eines Himmelbetts etc. Und in den 70ern wurde die Strophe von Omas Panzerfahrt zum Finanzamt gedichtet. Doch die Stimmen um Omas Freizeitaktivitäten sind leiser geworden. Wehmütig denken wir zurück an Omas Klosettpapier mit Blümchen: Zu teuer.
2013 feiern wir Omas Revival im neuen Globalisierungs-Look. Oma ist fit, beruflich flexibel und entgeltpunktemäßig auf Zack. Und so donnert es von allen Seiten:
Meine Oma hat nen Mini-Job bei Aldi, bei Aldi, bei Aldi
Meine Oma hat nen Mini-Job bei Aldi
Und am Wochenende putzt sie bei Frau Schmidt.
Grundgesichert im Ruhestand leben Rentner_innen in Deutschland momentan von 707,- Euro durchschnittlich. Die „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ heißt offenbar so, weil sie der Grund dafür ist, dass sich immer mehr Rentner_innen ihren Lebensunterhalt mit Mini-Jobs sichern müssen. Im Bundestagswahljahr 2013 nun schlagen fast alle Fraktionen mit vermeintlich neuen Rentenkonzepten auf und feiern mainstreammedial unterstützt ihre glorreichen Ideen.
Werfen wir also einen Blick auf die zukünftigen verarmten Rentner_innen – Menschen, die heute im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, Alleinerziehende, Erwerbsgeminderte, Langzeitarbeitslose und Solo-Selbstständige zum Beispiel. Das alles betrifft demnach nur ganz Wenige? Weit gefehlt! Allein dem Niedriglohnsektor sind derzeit rund 23 % aller Erwerbstätigen zuzuzählen[2]. Das bedeutet, dass etwa 23% aller Vollzeitbeschäftigten im Jahr 2012 mit etwa 1800,- Euro brutto ihren Lebensunterhalt bestreiten mussten.
Du willst mich wohl verriestern
Die SPD-Grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder hat zu Beginn des Jahrtausends auch den Menschen, die von 1800,- Euro brutto bei Vollbeschäftigung leben, ein simples aber sinnloses Konzept erarbeitet. Den Arbeitenden wurde vorgeschlagen, doch einfach selbst ein wenig Geld beiseite zu schaffen und anzulegen: Die Riesterrente als dritte Säule neben gesetzlicher und betrieblicher Vorsorge. Nur machen drei Säulen eben noch keine Altersresidenz – zumal die gesetzliche heftigst ramponiert worden ist und die betriebliche bei Vielen zu dürr ausfällt.
DIE LINKE lehnt dieses heuchlerische und teure Instrument ab und fordert die Überführung der Riesterförderung in die gesetzliche Rente, doch das nur nebenbei.
Leicht wird erkennbar, dass arbeitsmarktpolitische Entscheidungen untrennbar verknüpft sind mit Fragen nach Altersarmut und Konzepten, die ihr entgegenwirken.
Zunächst einmal sind gute Arbeit und gute Löhne Voraussetzungen für eine Rente, die den erarbeiteten Lebensstandard sichert. Derzeit ist ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von zehn Euro brutto pro Stunde hier die dringend notwendige Untergrenze.
Vergleichen wir die Konzepte von Schwarz, Gelb-blau, Pseudorot und Grün fällt vor allem auf, dass ihnen kaum zu überwindende Hürden innewohnen:
· Schwarz verlangt bis zu 45 Versicherungsjahre bis zu 35 Jahre Riester-Vorsorge o.ä. und bietet bis zu 850,- Euro brutto (die sog. „Lebensleistungsrente“). Vielleicht. Oder doch nur zehn bis 15 Euro mehr als die Grundsicherung. Man ist sich noch nicht einig. Ergebnis: Meine Oma zockt mit Pfandflaschen am Bahnhof, am Bahnhof, am Bahnhof.
· Gelb-blau hat kein Konzept zur Verhinderung von Altersarmut, das diesen Namen verdienen würde. Ergebnis: Meine Oma fährt Betrunkene im Taxi, im Taxi, im Taxi.
· Pseudorot verlangt 40 Versicherungsjahre und 30 Beitragsjahre und bietet ebenfalls 850,- Euro („Solidarrente“). Brutto oder Netto? Ist noch unklar. Ergebnis: Meine Oma sitzt im Callcenter als Piepton, als Piepton, als Piepton.
· Grün verlangt immerhin „nur“ noch 30 Versicherungsjahre und will die gebotenen 850,- Euro brutto (=764,- Euro netto) aus Steuermitteln finanzieren („Garantierente“). Aber nur für künftige Rentner_innen. Ergebnis: Kein Omasong, denn die Grünen sind kultiviert und über Volkskalauer erhaben.
DIE LINKE hingegen fordert eine Solidarische Mindestrente, deren Kern zunächst einmal darin besteht, dass diejenigen sie bekommen, die sie brauchen. Das Ziel lautet: Niemand soll von weniger als 1050,- Euro netto im Alter leben müssen!
Seit dem Jahr 2003 ist die Anzahl der Menschen, die die „Grundsicherung im Alter“ beziehen, um 69% auf mehr als 436.000 angestiegen und die Dunkelziffer dürfte bei etwa 1,1 bis 1,4 Mio. Menschen liegen. Zwei Drittel davon sind Frauen. Die Entwicklung ist katastrophal, denn schon heute haben über 120.000 Menschen, die älter als 75 Jahre sind einen Mini-Job und weder Hühnerstall noch Motorrad.
Darum steht DIE LINKE. für gute Arbeit, gute Löhne und gute Rente für die Lebensstandardsicherung und für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, eine sanktions- und repressionsfreie soziale Mindestsicherung an Stelle von Hartz IV und die Solidarische Mindestrente zur Vermeidung und Bekämpfung von Armut und Altersarmut.
22.04. 2013: >>Gute Löhne, Gute Arbeit, Gute Rente<<
Darüber und über sehr viel mehr werden wir auf der Betriebs- und Personalrätekonferenz am 22. April 2013 in Köln debattieren. Am Vormittag werden ab 10.30 Uhr bei der Podiumsdiskussion Prof. Sigrid Leitner von der FH Köln und Axel Gerntke vom Vorstand der IG-Metall mit mir das komplexe Argumentationsgeflecht entwirren. Wir diskutieren die Solidarische Rentenversicherung und die Solidarische Mindestrente sowie die Rentenkampagne der IG Metall und beleuchten, warum besonders Frauen von Altersarmut betroffen sind und sein werden, wenn nicht sofort gegengesteuert wird.
Ab 12.15 Uhr werden dann die Betriebsratsvorsitzenden von IKEA, Pfeiffer & Langen und Renault Trucks Rede und Antwort stehen und Vertreter_innen der NGG beispielhaft den Missbrauch von Werkverträgen anprangern. Und derzeit besonders wichtig: Wie steht es eigentlich ganz konkret um die Arbeitsbedingungen in der Automobilindustrie und im Einzelhandel?
Am Nachmittag schließlich wird sich unsere Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht nach ihrem inhaltlichen Input Euren Nachfragen in der Diskussion stellen.
Im gemeinsamen Kampf ist es wichtig, kausale Zusammenhänge von finanziellen Situationen in verschiedenen Lebensphasen auch für junge Menschen begreifbar zu machen. An uns allen liegt es nun, für ein bezahlbares solidarisches Rentenkonzept einzustehen, dass weder heuchlerisch noch illusorisch, aber gerecht ist. Und das vor allem den einmal erreichten Lebensstandard zuverlässig sichert und verlässlich dafür sorgt, dass niemand im Alter in Armut leben muss.
Auf nach Köln. Ich freue mich auf Euch!
[1] Kurt Tucholsky alias Peter Panter in: Die Weltbühne, 14.12.1922, Nr. 50, S. 623.
[2] Lebenslagen in Deutschland. Der vierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Bundesministerium für Arbeit und Soziales. XI-Niedriglohnquote:
http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen-DinA4/a334-4-armuts-reichtumsbericht-2013.pdf?__blob=publicationFile (letzter Zugriff 24.03.2012).
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