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Matthias W. Birkwald

Grüne Garantierente ist eine Armutsgarantie

06.06.2013
Redebeitrag von Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.) am 06.06.2013 um 18:32 Uhr (243. Sitzung, TOP 9)

Rede von Matthias W. Birkwald im Deutschen Bundestag am 06. Juni 2013 zur

Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Altersarmut bekämpfen – Mit der Garantierente (BT-Drs. 17/13493)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Jetzt hat der Kollege Birkwald das Wort. Mal sehen, wie er das meistert.

(Beifall bei der LINKEN)

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin­nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich werde Sie nicht enttäuschen, Herr Präsident. Es ist der seltene Fall eingetreten, dass ich einer Rede des Herrn Kollegen Kolb fast komplett zustimmen kann. Dafür herzlichen Dank, lieber Kollege Kolb.

(Beifall des Abg. Frank Heinrich [CDU/CSU])

Dir, lieber Toni, sage ich herzlichen Dank für deine Arbeit hier. Unsere Wertschätzung dir gegenüber ist schon angesprochen worden. Ich kann mich dem nur an­schließen. Du wirst uns hier fehlen. Danke für die Zeit mit dir.

(Beifall im ganzen Hause)

Jetzt geht es aber wieder um die Sache. Der neue Ar­muts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt: Das Risiko, in der Altersarmut zu landen, hat in den ver­gangenen Jahren deutlich zugenommen. Die Altersarmut ist schon heute ein Problem. Im Antrag der Grünen heißt es mit Blick auf die Zukunft:

Ohne Gegenmaßnahmen werden die Altersarmut … in den nächsten Jahren gravierend zunehmen.

Traurig, aber wahr. Schwarz-Gelb ist bei diesem Thema ein kompletter Totalausfall. Von der Bundesregierung kommt zur Bekämpfung der Altersarmut seit fast vier Jahren kein Gesetzentwurf, kein Antrag – rein gar nichts. Bald gibt es ja Schulzeugnisse. Im Fach „Bekämpfung der Altersarmut“, Herr Staatssekretär, bekommt Schwarz-Gelb nur ein Armutszeugnis. Setzen! Sechs!

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜND­NIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Anton Schaaf [SPD])

Die Grünen haben nun einen Antrag zur Bekämpfung der Altersarmut vorgelegt. Darin steht viel Richtiges, zum Beispiel zu den Verwerfungen am Arbeitsmarkt und dass das Auseinanderdriften in viele Arme und wenige Reiche verhindert werden muss. Dafür kämpfen wir Lin­ken schon lange.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Renten sinken. Jeder Rentnerjahrgang, der neu in Rente geht, hat im Durch­schnitt weniger Rente als der Jahrgang zuvor. Warum? Unter anderem deshalb, weil SPD und Grüne in ihrer Regierungszeit das Rentenniveau abgesenkt haben. Eine Rente von ehedem 1 000 Euro wird im Jahr 2030 eben nur noch 800 Euro wert sein. Das ist eine wesentliche Ursache für die Altersarmut von heute und morgen. Die Grünen wollen das Rentenniveau weiter absenken. Das hat die Kollegin Brigitte Pothmer vergangenen Oktober in der Neuen Osnabrücker Zeitung offen zugegeben, und niemand hat ihr widersprochen. Ich sage Ihnen: Wer das Rentenniveau weiter absenkt, ist für mehr Altersarmut verantwortlich und nicht für weniger. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir Linken wollen das Rentenniveau wieder auf 53 Pro­zent anheben, also so, wie es im Jahr 2000 war, bevor SPD und Grüne die Renten in den Sinkflug getrieben ha­ben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Rente erst ab 67 wird für die ganz große Mehrheit der Beschäftigten nichts weiter als eine gigantische Rentenkürzung wer­den. Fast alle Fliesenleger und Erzieherinnen können nicht bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten. Keine 10 Prozent der 64-Jährigen haben noch einen Vollzeit­job. Schon heute geht jeder Zweite mit Kürzungen in Rente, im Schnitt mit 109 Euro weniger. Mit der Rente erst ab 67 wird sich die Höhe der Rentenkürzungen lang­fristig fast verdoppeln. Damit ist klar: Die Rente erst ab 67 ist eine weitere Ursache für Altersarmut. Was machen die Grünen? Sie halten an der Rente erst ab 67 fest. Das ist die Wahrheit; aber das geht nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Sinkendes Rentenniveau und Rente erst ab 67, das ist eine ganz gefährliche Kombination. Für viele normal oder schlecht verdienende jüngere Beschäftigte, die nach 1964 geboren sind, bedeutet das schlicht: Sie müssen im Alter in Armut leben. Das will die Linke mit aller Kraft verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Altersarmut bekämpfen – mit der grünen Garantie­rente klappt das nicht. Sie ist eine Mogelpackung. Wa­rum? Zwei Drittel der armen Alten sind Frauen. Alters­armut ist überwiegend weiblich.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN]: Ja! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Um die grüne Garantierente zu erhalten, muss jemand aber mindestens 30 Versicherungsjahre vorweisen kön­nen.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN]: Mit Kindererziehungszeiten!)

Diese Bedingung soll ab sofort gelten. Das heißt: Jede zweite westdeutsche Rentnerin würde leer ausgehen;

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND­NIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

denn mehr als die Hälfte der Westrentnerinnen erreichen die geforderten 30 Versicherungsjahre derzeit nicht.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beitragsjahre!)

Eine Garantierente, die sie nicht bekommen, nützt ihnen nichts. Sie nützt ihnen auch deshalb nichts, weil sie nur für Neurentnerinnen und Neurentner gedacht ist. Men­schen, die schon heute unter Altersarmut leiden, lassen die Grünen im Regen stehen. Das ist für uns Linke voll­kommen inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zur Höhe Ihrer Garantierente. 30 Entgeltpunkten soll sie entsprechen. Das sind ab dem 1. Juli 844,20 Euro für eine Alleinstehende, brutto. Netto sind das dann noch 757 Euro. Das liegt gerade einmal 50 Euro über dem Bruttobedarf der Grundsicherung im Alter. 50 Euro sind viel Geld. Altersarmut verhindern sie nicht. Wegen des sinkenden Rentenniveaus werden die 30 Entgeltpunkte jedes Jahr weniger wert. Die grüne Garantierente ist demnach eine Armutsgarantie. Deswegen: Sorry, Ihr Konzept ist halbherzig.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke fordert gute Arbeit statt Leiharbeit und an­dere prekäre Jobs, 10 Euro gesetzlichen Mindestlohn und gute Renten deutlich über der Armutsrisikogrenze für alle, die jahrzehntelang eingezahlt haben. Als Schutz vor Altersarmut fordert die Linke eine solidarische Min­destrente von zunächst 900 Euro und dann 1 050 Euro – netto, steuerfinanziert und einkommens- und vermö­gensgeprüft – für alle Menschen, die sie brauchen, damit niemand im Alter in Armut leben muss.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)