Auch strömender Regen konnte gut 200 Kölnerinnen und Kölner nicht davon abhalten, zum Internationalen Tag der Privatsphäre unter dem Motto „Stop Watching us“ für den umfassenden Schutz der Privatsphäre und gegen die umfassende Schnüffelei der Geheimdienste zu protestieren. Matthias W. Birkwald unterstützte den Protest mit der nachfolgenden Rede:
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter von Stop-watching-us,
ich freue mich, dass sich heute zum Internationalen Tag der Privatsphäre so viele hier Menschen zusammengefunden haben, um zu zeigen, dass wir alle zusammen nicht länger bereit sind, die Datensammelwut der Geheimdienste einfach hinzunehmen.
Und ich hoffe auch, dass viele von Ihnen und Euch auch an der gerade hier um die Ecke zu Ende gegangenen Kundgebung gegen die drohende Eskalation des Krieges in Syrien teilgenommen haben.
Denn eines ist doch klar: Bomben schaffen eben so wenig Frieden, wie Geheimdienste die Freiheit schützen.
Als Kölner Bundestagsabgeordneter der LINKEN freue ich mich darüber, dass sich aktive Bürgerinnen und Bürger wie Sie und Ihr in einem selbstorganisierten Netzwerk zusammengetan haben, um sich gemeinsam zu wehren, und ich bedanke mich ausdrücklich für die Gelegenheit, hier und heute sprechen zu dürfen.
Seit den Enthüllungen von Edward Snowdon erhalten wir fast jeden Tag neue Infos darüber, in welch immensem Ausmaß verschiedene Geheimdienste unsere E-Mails und Briefe lesen, unser Telefon abhören und die Kommunikation von uns allen bespitzeln.
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
dieses schleichende Gift der Überwachung bedroht die demokratischen Grundlagen unserer Gesellschaft.
Unbeobachtet und unangepasst kommunizieren zu können - das ist eine entscheidende Grundlage einer freien und demokratischen Gesellschaft.
Und darum müssen wir uns wehren und den Schlapphüten aller Dienste die rote Kartei zeigen!
Dazu ist es höchste Zeit:
Im Mutterland der Demokratie, in England, setzen die Geheimdienste mit ihrem Vorgehen gegen den Guardian faktisch die Pressefreiheit außer Kraft.
Und wir erfahren fast nebenbei, dass neben den amerikanischen offensichtlich auch britische Geheimdienste auf den Internetverkehr von Deutschland und halb Europa zugreifen.
Die Bundesregierung beruft sich ernsthaft auf eine geheime schriftliche Versicherung der NSA, die einfach behauptet, sie würde nicht mehr spionieren.
Die ist doch nicht einmal das Papier wert, auf dem sie geschrieben sein soll.
Ein Geheimdienst, der verspricht, nicht mehr zu spitzeln, das ist wie ein Löwe, der verspricht, ab sofort als Veganer durch die Steppe zu streifen!
Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
wir müssen leider davon ausgehen, dass weiterhin tagtäglich mit Hilfe von PRISM und Tempora die komplette Kommunikation, die über transatlantische Verbindungskabel und US-Server läuft von den Geheimdiensten mitgelesen wird. Auch die von Hamburgern, Münchnerinnen, Kölnerinnen, Berlinern und Leipzigerinnen, den Menschen in der Eifel, im Harz und im Hunsrück.
Es gibt also Gründe genug, sich um den Schutz der Privatsphäre zu sorgen.
Aber diese Gründe liegen nicht nur auf der anderen Seite des Ärmelkanals und des Atlantiks:
Im Innenausschuss des Deutschen Bundestages und im Parlamentarischen Kontrollgremium machen wir Abgeordneten der LINKEN immer wieder die Erfahrung, dass eine wirkliche Aufklärung über die Geheimdienste politisch nicht gewollt ist.
Und meine linken Kolleginnen und Kollegen aus diesen Gremien sagen mir:
Sie ist in diesen Strukturen faktisch auch nicht möglich.
Bis heute gibt es seitens der Bundesregierung keine ernsthaften Aufklärungsbemühungen.
Kein Wunder. Die Regierung Merkel hat mit der Vorratsdatenspeicherung, mit dem Kontenabruf und der Bestandsdatenauskunft das Spielfeld der Geheimdienste im Inland sogar noch ausgeweitet.
Diese Regierung aus Union und FDP gießt also noch Öl ins Feuer, anstatt zu löschen!
Das ist skandalös und eine solche Politik muss am 22. September unbedingt die Quittung dafür bekommen!
Aber auch SPD und Grüne halten sich auch aus schlechten guten Gründen zurück.
SPD und Grüne erließen gemeinsam die nach ihrem Innenminister Otto Schily als 'Otto-Pakete' benannten Schnüffelgesetze.
Und der heutzutage wochenlang nicht auffindbare Geheimdienstkoordinator Ronald Pofalla hatte einen Vorgänger namens Frank-Walter Steinmeier, SPD, in dessen Amtszeit die USA illegale Gefängnisse in Europa unterhielten und den Luftraum über Deutschland für gesetzwidrige Entführungen nutzen konnten.
(Pause)
Und für Angela Merkel ist das alles sowieso Neuland…
Liebe Freundinnen und Freunde,
DIE LINKE ist eine moderne sozialistische Bürgerrechtspartei.
Und darum hat DIE LINKE als einzige Partei im Bundestag immer konsequent gegen den Ausbau des Überwachungsstaates gestimmt.
Wir LINKEN setzen uns für eine konsequente Offenlegung aller Ausspähvereinbarungen ein.
Wir fordern die internationale Zusammenarbeit der Geheimdienste zu beenden. Die Geheimdienste verletzen massenhaft und weltweit die Grundrechte der Menschen.
Wer aus dem globalen Datenkarussell der Geheimdienste nicht aussteigen, sondern nur ein schöneres Schaukelpferd besteigen will, der ist kein Aufklärer, sondern ein Komplize!
Erst wenn Gesetze, Abkommen und Verträge auf den Stand moderner Bürgerdemokratien gebracht werden und wenn die Auflösung der unkontrollierbaren Geheimdienste angepackt würde, dann wären wir wieder auf dem Weg zu einer wirklich freien Gesellschaft.
Dass wir hier und heute einen ersten kleinen Schritt des Weges dahin gemeinsam gehen, ist ein ermutigendes Signal gegen die Kommerzialisierung und Überwachung des Alltags von uns Allen.
Und dafür danke ich Ihnen und Euch von ganzem Herzen.
Stop watching us! Danke schön!
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