Politikwechsel: Sozial. gerecht. machbar. Mit der LINKEN. In einem Papier, das auf dem Konvent der LINKEN am 9. September 2013 im Umweltforum in der Berliner Auferstehungskirche vorgestellt wurde, hat die Partei zehn Kernziele und Einstiegsprojekte für die kommende Legislaturpreriode des Deutschen Bundestages formuliert. Auf dem Konvent sprachen Bernd Riexinger, Sahra Wagenknecht, Katja Kipping und Gregor Gysi.
Die Reden von Bernd Riexinger, Sahra Wagenknecht, Katja Kipping und Gregor Gysi als Video und Audio.
Die bevorstehende Wahl könnte ein Wendepunkt sein. Ein Anlass für eine demokratische Debatte, wohin das Land steuern soll: Wollen wir, dass dieses Land gerechter wird oder dass wenige durch Arbeit vieler reich werden? Wollen wir, dass dieses Land keinen Menschen zurück lässt oder soll Armut von Kindern, Beschäftigten und Rentnerinnen und Rentnern weiterhin Millionen zählen? Wollen wir, dass die Bundesrepublik zum Motor eines sozialen Aufbruchs für Europa wird oder soll auch die nächste Bundesregierung den Kontinent weiter in die wirtschaftliche und soziale Depression treiben? Wollen wir, dass dieses Land endlich wieder zum Grundsatz zurückkehrt, nach dem von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen soll oder sollen deutsche Soldaten und Waffen weiter in aller Welt Krieg führen? Und wollen wir schließlich, dass dieses Land endlich erste Schritte auf dem Weg in eine neue solidarische, demokratische und nachhaltige Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft geht oder sollen wir uns weiter das Nachdenken über Alternativen zum neoliberalen Kapitalismus verbieten lassen.
Doch zwei Wochen vor der Bundestagswahl versinken diese Fragen in einer bleiernen Stimmung: Angela Merkel und Peer Steinbrück führen an der Spitze der großen Parteien einen Wahlkampf, der nicht mal so tut, als würde um unterschiedliche Lager gerungen. Immer wenn die SPD sich von der CDU absetzen will wird deutlich, dass sie tief in die negativen Entwicklungen der letzten Jahre verstrickt ist. Glaubwürdig würde ihre Orientierung hin zu einer sozialen Politik nur, wenn sie aufhörte, auf eine große Koalition zu schielen. Doch mit Blick auf die Regierungsbildung wollen die anderen Parteien es sich untereinander nicht verderben. Ein wirklicher Politikwechsel ist so nicht möglich. Die drängenden Fragen unserer Zeit werden dabei umgangen.
Die LINKE im Parlament wird Ideenwerkstatt für den sozialen Fortschritt und Motor für den Politikwechsel sein. Unsere Partei wird in der kommenden Wahlperiode zehn konkrete Kernziele eines Politikwechsels in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen und dafür politische Einstiegsprojekte definieren, die unsere neue Fraktion in den ersten Monaten auf die politische Tagesordnung setzen wird:
1. Wir wollen den Niedriglohnsektor abbauen und das Reallohnniveau erhöhen:
Wir halten es für falsch und ungerecht, dass die Löhne langsamer als die Profite steigen. Unser Ziel ist es, dass am Ende niemand, der oder die voll erwerbstätig ist, auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen ist. Ein Vollzeitlohn bei 45-jähriger Beitragszahlung muss immer eine Rente oberhalb der Grundsicherung garantieren.
Arbeit darf nicht krank machen! Stressbedingte Krankheiten nehmen zu. Befristung, Werkverträge, Leiharbeit, Überstunden – diese Arbeitsformen machen es unmöglich, ein Leben zu planen. Das wollen wir ändern.
Frauen sind besonders häufig von unfreiwilliger Teilzeit, geringfügiger Beschäftigung und unverhältnismäßig schlechter Entlohnung betroffen. Entlohnung und Arbeitssituation für Erzieherinnen und Erzieher, Krankenschwestern und Pfleger und im Einzelhandel wollen wir deutlich verbessern.
2. Wir wollen Altersarmut abbauen und das Rentenniveau erhöhen:
In vier Jahren soll kein Mensch im Alter mehr arm sein, die Rente muss wieder den Lebensstandard sichern.
3. Wir wollen die Lohn- und Renteneinheit vollenden:
Mehr als 20 Jahre nach der Einheit muss es endlich für die gleiche Leistung den gleichen Lohn, und für die gleiche Lebensleistung die gleiche Rente geben.
4. Wir wollen eine Gerechtigkeitswende im Steuersystem:
Unser Ziel ist es, dass am Ende der Legislatur Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen weniger Steuern bezahlen, hohe Einkommen und Vermögen aber deutlich höher besteuert werden und dass der Staat durch Nettomehreinnahmen dauerhaft an Handlungsfähigkeit gewinnt.
5. Wir wollen ein Land ohne Armut:
Wir wollen Hartz IV abschaffen und perspektivisch durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung in Höhe von 1.050 Euro ersetzen.
6. Wir wollen die Zwei-Klassen-Medizin abschaffen:
Unser Ziel ist es, dass niemand mehr wegen seines Einkommens unterschiedliche medizinische Behandlung erfährt. Wir wollen eine solidarische Gesundheitsversicherung.
7. Wir wollen, dass Demokratie für alle erfahrbar wird:
Die Demokratie in unserem Land ist auf unterschiedliche Weise ausgehöhlt worden: Die informationelle Selbstbestimmung der Menschen wurde durch Überwachung und Ausspähung untergraben. Millionen Menschen dürfen in Deutschland nicht wählen, obwohl sie bereits seit Jahren hier leben. Ganze Lebensbereiche sind demokratischen Entscheidungen entzogen und dem Markt untergeordnet worden. Die sozialen Grundlagen der Demokratie wurden durch Privatisierung öffentlichen Eigentums untergraben – und durch den Druck von steigenden Mieten und Energiepreisen.
Wir wollen die Persönlichkeitsrechte der Menschen stärken.
Wir wollen die demokratische Beteiligung aller fördern.
Wir wollen, dass das Bildungssystem allen einen gleich guten Start ins Leben ermöglicht. Die frühe Zuteilung unterschiedlicher Lebenschancen durch das gegliederte Bildungssystem wollen wir überwinden. Bildung muss als öffentliche Aufgabe öffentlich finanziert und demokratisch organisiert sein. Gute Bildung für alle zu sichern ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern.
Wir wollen die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge stoppen und durchgeführte Privatisierungen gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern rückgängig machen.
Wir wollen die soziale Entmischung von Wohngebieten stoppen. In den vergangenen Jahren sind die Mietpreise in Ballungszentren, Groß- und Universitätsstädten explodiert. Wir wollen verhindern, dass immer mehr Menschen ihre Miete nicht mehr bezahlen können und aus Stadtteilen vertrieben werden, in denen sie z.T. über Jahrzehnte gelebt haben.
8. Wir wollen eine Energiewende mit Sozialsiegel:
Wir wollen die Energieversorgung umbauen, Alternativen zu umweltschädlichen Produktionszweigen schaffen und umweltverträgliche, für alle zugängliche Formen der Mobilität entwickeln. Dazu gehört ein sozial ausgewogenes Konzept für eine Energiewende.
9. Wir wollen einen kategorischen Gewaltverzicht in der deutschen Außenpolitik verankern und das Geschäft mit dem Tod ächten:
Die Bundeswehr soll am Ende der nächsten Legislatur auf den Auftrag der Landesverteidigung zurückgeführt sein. Wir wollen, dass der Einsatz der Bundeswehr im Ausland – wieder – untersagt wird.
Jede Waffe findet ihren Krieg. Rüstungsexporte gehören verboten.
10. Wir wollen, dass Deutschland zum Motor einer sozialen Wende in Europa wird:
Gute Nachbarschaft und eine gemeinsame, solidarische und demokratische Entwicklung sind unsere Perspektive. In vier Jahren soll es in Europa keine Troika-Diktate mehr geben, und die europäischen Verträge sollen um einen Sozialpakt ergänzt sein, der gemeinsame soziale Mindeststandards für alle Bürgerinnen und Bürger garantiert.
Weitere Rettungspakete wollen wir an zwei Bedingungen knüpfen:
Mit diesen zehn Kernzielen und Einstiegsprojekten sagen wir den Wählerinnen und Wählern, in welche Richtung wir das Land verändern wollen, und woran wir unser politisches Handeln in der kommenden Legislaturperiode ausrichten werden. Wir sagen, wohin wir wollen und was wir auf den Weg bringen wollen. Wir beginnen mit einzelnen entschlossenen Schritten – aber dabei kann es nicht bleiben. Die LINKE steht für eine Alternative. Dafür ringen wir um politische Mehrheiten. Wer für einen Politikwechsel ist, sich an diesen Kernzielen orientiert, ist dazu eingeladen, der LINKEN am 22. September beide Stimmen zu geben. Wer unsere Unterstützung für ein Regierungsbündnis haben will, muss sich auf den Boden dieser Ziele stellen.
Aktueller denn je: Ausführliches Interview im „Versicherungsboten“ zu allen wichtigen Fragen rund um die gesetzliche und die private Rente
Bundestagsrede in der Orientierungsdebatte am 26. Januar 2022