100% sozial
Matthias W. Birkwald

Sozial. gerecht. machbar.

Politikwechsel mit der LINKEN

12.09.2013
Autor: Bundespartei DIE LINKE.

Politikwechsel: Sozial. gerecht. machbar. Mit der LINKEN. In einem Papier, das auf dem Konvent der LINKEN am 9. September 2013 im Umweltforum in der Berliner Auferstehungskirche vorgestellt wurde, hat die Partei zehn Kernziele und Einstiegsprojekte für die kommende Legislaturpreriode des Deutschen Bundestages formuliert. Auf dem Konvent sprachen Bernd Riexinger, Sahra Wagenknecht, Katja Kipping und Gregor Gysi.

Die Reden von Bernd Riexinger, Sahra Wagenknecht, Katja Kipping und Gregor Gysi als Video und Audio.

Die bevorstehende Wahl könnte ein Wendepunkt sein. Ein Anlass für eine demokratische Debatte, wohin das Land steuern soll: Wollen wir, dass dieses Land gerechter wird oder dass wenige durch Arbeit vieler reich werden? Wollen wir, dass dieses Land keinen Menschen zurück lässt oder soll Armut von Kindern, Beschäftigten und Rentnerinnen und Rentnern weiterhin Millionen zählen? Wollen wir, dass die Bundesrepublik zum Motor eines sozialen Aufbruchs für Europa wird oder soll auch die nächste Bundesregierung den Kontinent weiter in die wirtschaftliche und soziale Depression treiben? Wollen wir, dass dieses Land endlich wieder zum Grundsatz zurückkehrt, nach dem von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen soll oder sollen deutsche Soldaten und Waffen weiter in aller Welt Krieg führen? Und wollen wir schließlich, dass dieses Land endlich erste Schritte auf dem Weg in eine neue solidarische, demokratische und nachhaltige Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft geht oder sollen wir uns weiter das Nachdenken über Alternativen zum neoliberalen Kapitalismus verbieten lassen.

Doch zwei Wochen vor der Bundestagswahl versinken diese Fragen in einer bleiernen Stimmung: Angela Merkel und Peer Steinbrück führen an der Spitze der großen Parteien einen Wahlkampf, der nicht mal so tut, als würde um unterschiedliche Lager gerungen. Immer wenn die SPD sich von der CDU absetzen will wird deutlich, dass sie tief in die negativen Entwicklungen der letzten Jahre verstrickt ist. Glaubwürdig würde ihre Orientierung hin zu einer sozialen Politik nur, wenn sie aufhörte, auf eine große Koalition zu schielen. Doch mit Blick auf die Regierungsbildung wollen die anderen Parteien es sich untereinander nicht verderben. Ein wirklicher Politikwechsel ist so nicht möglich. Die drängenden Fragen unserer Zeit werden dabei umgangen.

Die LINKE im Parlament wird Ideenwerkstatt für den sozialen Fortschritt und Motor für den Politikwechsel sein. Unsere Partei wird in der kommenden Wahlperiode zehn konkrete Kernziele eines Politikwechsels in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen und dafür politische Einstiegsprojekte definieren, die unsere neue Fraktion in den ersten Monaten auf die politische Tagesordnung setzen wird:

1. Wir wollen den Niedriglohnsektor abbauen und das Reallohnniveau erhöhen:

Wir halten es für falsch und ungerecht, dass die Löhne langsamer als die Profite steigen. Unser Ziel ist es, dass am Ende niemand, der oder die voll erwerbstätig ist, auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen ist. Ein Vollzeitlohn bei 45-jähriger Beitragszahlung muss immer eine Rente oberhalb der Grundsicherung garantieren.

  • Unsere Einstiegsprojekte in eine Lohnoffensive werden ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 10 Euro pro Stunde mit einer stetigen Dynamisierungsperspektive und gleicher Lohn für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter verbunden mit einer Flexibilitätszulage sein.

Arbeit darf nicht krank machen! Stressbedingte Krankheiten nehmen zu. Befristung, Werkverträge, Leiharbeit, Überstunden – diese Arbeitsformen machen es unmöglich, ein Leben zu planen. Das wollen wir ändern.

  • Als ersten Antrag werden wir ein Verbot der sachgrundlosen Befristungen fordern.
  • Um Arbeitszeitverkürzung zu befördern, werden wir zu Beginn der Wahlperiode beantragen, dass die zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit von derzeit 48 auf 40 Stunden gesenkt wird. Ausnahmeregelungen müssen deutlich reduziert, Überstunden effektiv begrenzt werden.

Frauen sind besonders häufig von unfreiwilliger Teilzeit, geringfügiger Beschäftigung und unverhältnismäßig schlechter Entlohnung betroffen. Entlohnung und Arbeitssituation für Erzieherinnen und Erzieher, Krankenschwestern und Pfleger und im Einzelhandel wollen wir deutlich verbessern.

  • Zu Beginn der Legislaturperiode werden wir einen Antrag einbringen, Mini- und Midijobs in sozialversicherungspflichtige reguläre Beschäftigung zu überführen.

2. Wir wollen Altersarmut abbauen und das Rentenniveau erhöhen:

In vier Jahren soll kein Mensch im Alter mehr arm sein, die Rente muss wieder den Lebensstandard sichern.

  • Wir werden zu Beginn der Wahlperiode ein Rentenkonzept einbringen. Der erste Schritt: Die Rente erst ab 67 soll rückgängig gemacht werden.
  • Wir kehren zur paritätischen Finanzierung der Renten zurück. Wir beantragen im Laufe der Legislaturperiode, eine Mindestrente von 1.050 Euro, um die Notwendigkeit zur privaten Vorsorge zu beenden. Die in der Riester-Rente erworbenen Ansprüche sollen in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden. Das Rentenniveau von 53 Prozent wird wieder hergestellt, indem alle Erwerbs-Einkommen an der Rentenfinanzierung beteiligt werden. Jeder und jede muss nach 40 Beitragsjahren ohne Abschläge in Rente gehen können.

3. Wir wollen die Lohn- und Renteneinheit vollenden:

Mehr als 20 Jahre nach der Einheit muss es endlich für die gleiche Leistung den gleichen Lohn, und für die gleiche Lebensleistung die gleiche Rente geben.

  • Als Einstiegsprojekt werden wir ein Konzept für die schrittweise Angleichung des Rentenwerts Ost an das Westniveau bis 2017 vorlegen.
  • Wir bereiten eine Initiative vor, die niedrigeren Branchenmindestlöhne in Ostdeutschland auf Westniveau anzugleichen.

4. Wir wollen eine Gerechtigkeitswende im Steuersystem:

Unser Ziel ist es, dass am Ende der Legislatur Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen weniger Steuern bezahlen, hohe Einkommen und Vermögen aber deutlich höher besteuert werden und dass der Staat durch Nettomehreinnahmen dauerhaft an Handlungsfähigkeit gewinnt.

  • Als erste Schritte werden wir beantragen, den Spitzensteuersatzes auf 53 Prozent, den Grundfreibetrag auf 9.300 Euro und das Kindergeld auf 200 Euro anzuheben (ab dem dritten Kind entsprechend mehr).
  • Reichtum verpflichtet: Die Vermögensteuer wurde vom Verfassungsgericht ausgesetzt, weil nicht alle Vermögensarten gleichermaßen einbezogen waren. DIE LINKE wird zu Beginn der Legislatur ein Modell vorlegen, in dem hohe Vermögen einer Vermögensteuer unterzogen werden.

5. Wir wollen ein Land ohne Armut:

Wir wollen Hartz IV abschaffen und perspektivisch durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung in Höhe von 1.050 Euro ersetzen.

  • Als Einstieg werden wir im Bundestag beantragen, die Hartz-IV-Sätze sofort auf 500 Euro zu erhöhen, so dass sie das soziokulturelle Existenzminimum abdecken. Die Sanktionen sind abzuschaffen.
  • Gleichzeitig starten wir eine Initiative für mehr öffentliche Beschäftigung. Die so genannten Ein-Euro-Jobs würden damit überflüssig werden.

6. Wir wollen die Zwei-Klassen-Medizin abschaffen:

Unser Ziel ist es, dass niemand mehr wegen seines Einkommens unterschiedliche medizinische Behandlung erfährt. Wir wollen eine solidarische Gesundheitsversicherung.

  • Als Einstieg werden wir beantragen, die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherungen wieder paritätisch von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und Beschäftigten zu finanzieren. So wird der Beitrag für die Versicherten um rund 0,3 Prozent gesenkt.
  • Zudem werden wir umgehend die Abschaffung der Zuzahlungen beantragen. Brillen und Zahnersatz müssen wieder in die Regelversorgung aufgenommen werden.
  • Als nächsten Schritt werden wir beantragen, die Beitragsbemessungsgrenzen abzuschaffen. Es ist nicht einzusehen, warum Menschen mit hohem Einkommen prozentual weniger zahlen sollten als Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen.

7. Wir wollen, dass Demokratie für alle erfahrbar wird:

Die Demokratie in unserem Land ist auf unterschiedliche Weise ausgehöhlt worden: Die informationelle Selbstbestimmung der Menschen wurde durch Überwachung und Ausspähung untergraben. Millionen Menschen dürfen in Deutschland nicht wählen, obwohl sie bereits seit Jahren hier leben. Ganze Lebensbereiche sind demokratischen Entscheidungen entzogen und dem Markt untergeordnet worden. Die sozialen Grundlagen der Demokratie wurden durch Privatisierung öffentlichen Eigentums untergraben – und durch den Druck von steigenden Mieten und Energiepreisen.

    Wir wollen die Persönlichkeitsrechte der Menschen stärken.

  • Als ersten Schritt werden wir ein Moratorium und eine unabhängige Evaluation aller seit 2001 verabschiedeten Sicherheitsgesetze bzw. der laufenden Verhandlungen einbringen, insbesondere zum Safe-Harbor-Abkommen über die Weitergabe personenbezogener Daten aus der EU an Wirtschaftsunternehmen der USA und zum Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherung.

Wir wollen die demokratische Beteiligung aller fördern.

  • Als ersten Schritt werden wir das Wahlrecht für alle seit fünf Jahren in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten beantragen.

Wir wollen, dass das Bildungssystem allen einen gleich guten Start ins Leben ermöglicht. Die frühe Zuteilung unterschiedlicher Lebenschancen durch das gegliederte Bildungssystem wollen wir überwinden. Bildung muss als öffentliche Aufgabe öffentlich finanziert und demokratisch organisiert sein. Gute Bildung für alle zu sichern ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern.

  • Als ersten Antrag im neuen Bundestag werden wir das Kooperationsverbot für Bund und Länder in der Bildung rückgängig machen.

Wir wollen die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge stoppen und durchgeführte Privatisierungen gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern rückgängig machen.

  • Als ersten Schritt werden wir ein Gesetz einbringen, dass alle Privatisierungsvorhaben der öffentlichen Infrastruktur – z.B. von Wasser oder Stromnetzen - an die Zustimmung der betroffenen Bevölkerung in Form einer Volksabstimmung bindet.

Wir wollen die soziale Entmischung von Wohngebieten stoppen. In den vergangenen Jahren sind die Mietpreise in Ballungszentren, Groß- und Universitätsstädten explodiert. Wir wollen verhindern, dass immer mehr Menschen ihre Miete nicht mehr bezahlen können und aus Stadtteilen vertrieben werden, in denen sie z.T. über Jahrzehnte gelebt haben.

  • Dafür werden wir einen Antrag einbringen, der Mieterhöhungen ohne Wohnwertsteigerungen oberhalb der Inflationsrate für unzulässig erklärt und Mieterhöhungen allein wegen Neuvermietungen ausschließt.

8. Wir wollen eine Energiewende mit Sozialsiegel:

Wir wollen die Energieversorgung umbauen, Alternativen zu umweltschädlichen Produktionszweigen schaffen und umweltverträgliche, für alle zugängliche Formen der Mobilität entwickeln. Dazu gehört ein sozial ausgewogenes Konzept für eine Energiewende.

  • Wir bringen ein Konzept für die Regulierung der Strompreise ein. Zu den ersten Maßnahmen gehört, unberechtigte Rabatte für die Industrie zu streichen. Wir wollen ein gebührenfreies Grundkontingent und einen teureren hohen Verbrauch.

9. Wir wollen einen kategorischen Gewaltverzicht in der deutschen Außenpolitik verankern und das Geschäft mit dem Tod ächten:

Die Bundeswehr soll am Ende der nächsten Legislatur auf den Auftrag der Landesverteidigung zurückgeführt sein. Wir wollen, dass der Einsatz der Bundeswehr im Ausland – wieder – untersagt wird.

  • Als erstes werden wir einen Antrag einbringen, der alle Soldatinnen und Soldaten aus Afghanistan nach Deutschland zurückberuft.

Jede Waffe findet ihren Krieg. Rüstungsexporte gehören verboten.

  • Wir werden zu Beginn der Legislatur beantragen, dass die Bundesregierung keine Hermes-Bürgschaften für Rüstungs- und Waffenexporte mehr übernimmt.

10. Wir wollen, dass Deutschland zum Motor einer sozialen Wende in Europa wird:

Gute Nachbarschaft und eine gemeinsame, solidarische und demokratische Entwicklung sind unsere Perspektive. In vier Jahren soll es in Europa keine Troika-Diktate mehr geben, und die europäischen Verträge sollen um einen Sozialpakt ergänzt sein, der gemeinsame soziale Mindeststandards für alle Bürgerinnen und Bürger garantiert.

  • Als erste Anträge werden wir einbringen, dass private Banken nicht mehr ohne Gegenleistungen (in Form von Anteilen und Einfluss auf die Geschäftspolitik) aus Steuergeldern gerettet werden.

Weitere Rettungspakete wollen wir an zwei Bedingungen knüpfen:

  1. Sie müssen mit einer Sozialstaatsgarantie verbunden werden: Lohn- und Rentenkürzungen sowie der Abbau von Sozialleistungen werden ausgeschlossen.
  2. In den betreffenden Ländern wird eine Vermögensabgabe auf hohe Vermögen erhoben, um die Reichen an der Finanzierung der Krise angemessen zu beteiligen.

Mit diesen zehn Kernzielen und Einstiegsprojekten sagen wir den Wählerinnen und Wählern, in welche Richtung wir das Land verändern wollen, und woran wir unser politisches Handeln in der kommenden Legislaturperiode ausrichten werden. Wir sagen, wohin wir wollen und was wir auf den Weg bringen wollen. Wir beginnen mit einzelnen entschlossenen Schritten – aber dabei kann es nicht bleiben. Die LINKE steht für eine Alternative. Dafür ringen wir um politische Mehrheiten. Wer für einen Politikwechsel ist, sich an diesen Kernzielen orientiert, ist dazu eingeladen, der LINKEN am 22. September beide Stimmen zu geben. Wer unsere Unterstützung für ein Regierungsbündnis haben will, muss sich auf den Boden dieser Ziele stellen.

Quelle: www.die-linke.de/nc/dielinke/nachrichten/detail/zurueck/nachrichten/artikel/politikwechsel-sozial-gerecht-machbar-mit-der-linken/