Eine aktuelle Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) ergab: Bauarbeiter sind im Durchschnitt 57,6 Jahre alt, wenn sie aufhören zu arbeiten. In die Rente wegen Erwerbsminderung müssen Kranke im Durchschnitt schon mit 50 Jahren. Dieses Schicksal trifft 20 Prozent aller Versicherten! Rente erst ab 67, Rente ab 63? War da was?
Die EU-Kommission hat nicht nur das Renten- und Gesundheitssystem in Griechenland auf dem Gewissen, sondern drohte jüngst sogar der Bundesrepublik mit einem EU-Strafverfahren, weil bald 200000 »besonders langjährig Versicherte« die Rente ab 63 bzw. 65 Jahren in Anspruch nehmen könnten.
Und das sind nicht einmal – wie so oft behauptet – 200000 zusätzliche Rentenfälle, sondern gerade einmal 50000 mehr. Denn schon 2012 gingen 146000 63jährige in Rente. Dann aber oft mit Abschlägen. Die Abschläge fallen jetzt weg, wenn man 45 Beitragsjahre auf dem Buckel hat. Allerdings gilt die magische Zahl 63 nur für den halben Jahrgang 1951 und für den ganzen Jahrgang 1952, danach geht es schrittweise wieder hoch auf 65. Das ist eine Mogelpackung!
Im übrigen: Die Chancen, nach dem 60. Geburtstag noch in Vollzeit zu arbeiten, sinken rapide. Im Alter von 60 Jahren haben immerhin noch 32 Prozent einen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjob, 63jährige nur noch zu 15 Prozent, und bei den 64jährigen sind es gerade noch 11,4 Prozent. In der Altersgruppe von 60 bis 64 Jahren ist auch die Arbeitslosigkeit von 5,3 Prozent (2009) auf 8,4 Prozent (2013) stark angestiegen. Fast die Hälfte dieser 216000 arbeitslosen Älteren ist langzeitarbeitslos.
Dies zeigt: Viel zu wenige Menschen werden von dem etwas früheren Renteneintritt profitieren. Und warum werden nur Zeiten des Arbeitslosengeldes I auf die 45 Jahre angerechnet? Was ist denn in Sachen Lebensleistung der Unterschied zwischen einem Maurer, der einmal vier Jahre am Stück arbeitslos war, also Arbeitslosenhilfe oder Hartz IV bezog, und einem Maurer, der viermal ein Jahr lang arbeitslos war? Gar keiner! Deswegen fordert Die Linke: Alle Zeiten der Arbeitslosigkeit müssen bei der Rente ab 63 bzw. ab 65 berücksichtigt werden – ohne Wenn und Aber!
Das ist aber nur ein Teil des Rentenpakets – wenn auch der umstrittenste. Ja, ab Juli 2014 werden neun Millionen Mütter und wenige Väter rund 26 bis 28 Euro mehr sogenannte »Mütterrente« erhalten, für vor 1992 geborene Kinder. Die jährlich etwa 180000 neuen Erwerbsminderungsrentner werden im Durchschnitt 40 Euro mehr im Monat bekommen. Aber: Vielen von ihnen werden die gleich wieder bei der Grundsicherung abgezogen.
Manches wird besser, aber nichts wird gut: Das Rentenpaket ist nur ein Päckchen. Und: Das entscheidende Manko ist die Plünderung der Rentenkasse für die bessere »Mütterrente«. Sie muß aber aus Steuermitteln finanziert werden, weil Kindererziehung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Nur: Die Kanzlerin verweigert sich jeder Steuererhöhung. Darum muß dann beispielsweise die Arzthelferin mit ihren Rentenbeiträgen die »Mütterrente« ihrer Chefin bezahlen, die nie in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, aber über einVersorgungswerk abgesichert ist. Dieses Geld fehlt für beitragsfinanzierte Maßnahmen gegen die Altersarmut. Das Rentenniveau muß dringend steigen. Das heißt: Die verheerenden Kürzungsfaktoren müssen aus der Rentenanpassungsformel gestrichen werden. Diese Faktoren werden das Rentenniveau nämlich bis 2030 auf gut 43 Prozent senken. Statt 1000 nur noch 810 Euro Rente. Das muß verhindert werden!
Nur eine Rentenformel ohne Kürzungsfaktoren würde in den kommenden Jahren die Renten der älteren Generation stabilisieren. Ein Niveau von 53 Prozent des Durchschnittslohnes könnte auch die Jüngeren überzeugen, nicht nur auf die Höhe der Beiträge zu schielen, sondern mit einem Blick auf die Renteninformation zu sehen: Die gesetzliche Rente ist sicher, sie schützt vor Armut und sichert den Lebensstandard. Darum geht es!
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