Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag, schreibt in einem Gastbeitrag in der jungen welt vom 28. August 2018:
Kanzlerin und Lobbyisten geraten in Panik, weil die SPD im Sommerloch das Rententhema wiederentdeckt hat. Nehmen wir nur die von der Regierung verabredeten Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner, die aber nur den zukünftigen neu in Rente gehenden Menschen zugute kommen sollen, oder man denke an die zusätzliche »Mütterrente«, die ungerechterweise nur ab mindestens drei Kindern gezahlt werden soll. Ebenso schreien bei der von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) formulierten »Haltelinie«, wonach mindestens 48 Prozent des Rentenniveaus bis 2025 gesichert werden müsse, alle Marktradikalen im Chor: Das kostet bis 2025 mehr als 30 Milliarden Euro!
Die Zahlen stimmen zwar, sie sind aber kein Grund für Alarmismus. Wenn man richtig rechnet, sind es sogar 31,7 Milliarden Euro, die zusätzlich bis 2025 fällig werden – mehr als vier Milliarden pro Jahr. Was diese Panikmacher nicht sagen, ist, dass aktuell ein um einen Prozentpunkt erhöhter Beitragssatz Jahr für Jahr 14,65 Milliarden Euro Mehreinnahmen in die Rentenkasse spülen würde und ein junger oder ein mittelalter Beschäftigter, der heute den aktuellen Durchschnittsverdienst von 3.156 Euro brutto auf dem Lohnzettel hat, gerade einmal 9,50 Euro mehr im Monat zahlen müsste – und seine Chefin ebenfalls. So werden aus fast 32 Milliarden Euro 9,50 Euro. Und für wenig Verdienende mit beispielsweise 1.578 Euro wären es nur 4,75 Euro.
Die Partei Die Linke fordert, das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anzuheben, so hoch wie zuletzt im Jahr 2000. Was würde dies bringen und kosten? Das würde einer sogenannten Standardrentnerin, die heute nach 45 Jahren Arbeit zum jeweils gültigen Durchschnittslohn 1.281 Euro Rente netto zu erwarten hat, sofort 130 Euro mehr an Rente bringen. Netto! Finanzierbar wäre das heute bei einem durchschnittlichen Bruttolohn (West) von 3.156 Euro mit nur 32 Euro mehr an Rentenbeitrag, jeweils für die Beschäftigten und die Chefs. Dafür bräuchte man für eine lebensstandardsichernde Alterssicherung aber keine Riesterbeiträge von 111,66 Euro in diesem Beispiel mehr zu zahlen. Macht unterm Strich 79,66 Euro mehr im Portemonnaie. Und auch im Jahr 2030 wären das bei einem durchschnittlichen Bruttolohn, der dann schon voraussichtlich auf 4.503 Euro angestiegen sein wird, nur 88 Euro zusätzlich im Monat. Der Clou dabei: Bei einem Rentenniveau von 53 Prozent könnten jede und jeder sofort darauf verzichten, Monat für Monat vier Prozent des Bruttoeinkommens in die gescheiterte Riester-Rente zu stecken. Das hieße: 88 Euro mehr in die gesetzliche Rentenkasse zahlen, aber keine 165,55 Euro (plus Zulagen) mehr für die gescheiterte Riester-Rente überweisen! 74,75 Euro mehr in der Tasche.
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