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Matthias W. Birkwald

Weg mit der Zwangsverrentung von Hartz-IV-Beziehenden!

10.01.2014

Hartz-IV-Beziehende werden gezwungen, ab dem 63. Geburtstag in die vorgezogene Rente zu gehen. Machen sie es nicht, dann stellt das Jobcenter auch gegen ihren Willen den Antrag auf Altersrente. Die Bundesregierung legt auf unsere Kleine Anfrage erstmals widerwillig Zahlen vor, die das Ausmaß dieser skandalösen Praxis erkennen lassen. Ändern will sie an diesem massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte nichts.

Im Jahr 2013 schieden bereits rund 28.000 63-Jährige aus dem Hartz-IV-Bezug aus. Wir vermuten berechtigt, dass viele von ihnen zwangsverrentet wurden. Im Jahr 2014 könnten ca. 65.000 Menschen von Zwangsverrentungen bedroht sein, in NRW ca. 15.500. 2015 wird diese Zahl schon auf 75.000 (NRW: 17.200) steigen. (SZ vom 7.1.2014)

Das Problem: Die Zwangsverrentung ist nichts anderes als ein gigantisches Rentenkürzungsprogramm. Eine erzwungene Frühverrentung bedeutet Abschläge auf die Rentenleistungen in Höhe von 0,3 Prozentpunkten pro Monat - auf Rentenleistungen bis zum Lebensende. Die Renten werden auf Dauer bis zu 14,4 Prozent gekürzt, wenn die Rente erst ab 67 voll greift. Das ist völlig schizophren: Mit der Rente ab 63 bzw. 65 will die Große Koalition den Zugang für Menschen, die 45 Jahre versichert waren, abschlagsfrei ermöglichen; gleichzeitig werden Hartz-IV-Beziehende mit horrenden Abschlägen in die vorzeitige Rente gezwungen. Das ist skandalös und durch nichts zu rechtfertigen! Die Zwangsverrentungen müssen endlich abgeschafft werden! (Interview mit Matthias W. Birkwald in Clara Nr. 30)

Warum? Es droht, immer mehr Hartz-IV-Beziehende zu treffen. Der Grund dafür: Im vergangenen Jahr lief die sog. 58er-Regelung aus, nach der 58-jährige Langzeiterwerbslose im Hartz-IV-Leistungsbezug bleiben konnten. Paragraf 12a begann nun zu greifen. Frauen und Männer mit Arbeitslosengeld-II-Bezug müssen auf sogenannte „vorrangige Leistungen“ verwiesen werden. Das bedeutet, dass sie in eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen zum frühestmöglichen Zeitpunkt, also ab 63 Jahren, gehen müssen. Ob sie wollen oder nicht, sie werden dazu gezwungen. Für die Betroffenen heißt das, sie werden selbst gegen ihren Willen in die frühe Altersrente geschickt, verschwinden lautlos aus der Arbeitslosenstatistik, erhalten keinerlei Jobangebote mehr und müssen lebenslang monatliche Rentenabschläge hinnehmen. Dieser Zwang muss abgeschafft werden.

Wir empfehlen allen Betroffenen, Widerspruch einzulegen und gleichzeitig beim Sozialgericht im Rahmen des sogenannten vorläufigen Rechtsschutzes aufschiebende Wirkung für den Widerspruch zu beantragen. Je später der faktische Renteneintritt erfolgt, desto geringer sind die Abschläge.

  • Auf der Homepage der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen finden sich dazu hilfreiche Tipps.
  • Zum Hintergrund: Die eingangs erwähnte Kleine Anfrage.

Erschienen im LINKSLETTER der LINKEN NRW am 10.01.2014